„Es ist etwas Besonderes und eine große Herausforderung“

Im Sommer wird das Erzgebirgsstadion in Aue nach dem Umbau mit einer Einweihungsfeier für die Fans offiziell eröffnet. Eigentümer der Spielstätte von Zweitligist FC Erzgebirge Aue ist der Erzgebirgskreis. Die Übergabe des umgebauten Stadions an den Verein war bereits im Januar 2018. Im Interview mit Stadionwelt spricht Landrat Frank Vogel (61, CDU) über die Besonderheiten dieser Konstellation und den Umbau.

Frank Vogel Bild: Landratsamt Erzgebirgskreis
Frank Vogel Bild: Landratsamt Erzgebirgskreis
Stadionwelt: Wie zufrieden sind Sie mit dem Umbau des Stadions?
Vogel: Der Umbau war ja quasi ein Ersatzneubau. Er ist gut gelungen. Von seiner Funktionalität her erfüllt es alle Anforderungen, die DFB und DFL heute stellen. Die Bedingungen für die Fans haben sich in jeder Hinsicht deutlich verbessert zum alten Stadion. Der Zeitplan wurde – trotz Bau bei laufendem Spielbetrieb und über zwei Winter, die ja im Erzgebirge bekanntlich nicht ganz „ohne“ sind – eingehalten. Der Kostenrahmen wurde nicht überzogen. Also, ich bin zufrieden und ich denke, Verein und Fans sind es auch.

Stadionwelt: Können Sie kurz die finanziellen Details des Umbaus schildern, welche Beteiligten haben wie viel Euro bezahlt?
Vogel: Der Erzgebirgskreis als Eigentümer der Immobilie hat 19,8 Mio. Euro in das Erzgebirgsstadion investiert. Die Finanzierung erfolgte ausschließlich aus Eigenmitteln des Landkreises. Beigesteuert wurden 5,8 Prozent von der Großen Kreisstadt Aue sowie 5,8 Prozent vom FC Erzgebirge Aue e. V.

Stadionwelt: Das Außergewöhnliche in Aue ist, dass das Stadion dem Erzgebirgskreis gehört. Für wie „besonders“ schätzen Sie dieses Eigentümerverhältnis ein?
Vogel: Außergewöhnlich ist es in der Tat, dass wir als Landkreis Eigentümer sind. Das rührt aus einem Kreistagsbeschluss Anfang September 1990 heraus. Damals stand der Verein – die damalige BSG Wismut Aue – vor enormen Problemen. Der Hauptsponsor, die Wismut, war mit der Umwandlung in eine GmbH in 100%iger Trägerschaft des Bundes weggebrochen. Die Grundstücksverhältnisse waren eher schwierig. Die Sanierung des alten „Otto-Grotewohl-Stadions“, des „Old Otto“ wie es unter den Fans liebevoll genannt wurde, war durch die Wismut nahezu abgeschlossen, dennoch galt es neue Anforderungen, die der DFB stellte, zu erfüllen. Die finanzielle Lage des Vereins war nicht gerade rosig. Was war naheliegender, als dass der damalige Landkreis Aue dem Ansinnen des Vereins folgte und bei der Treuhand die Zuordnung des Stadions beantragte. Die Entscheidung der Treuhand lag binnen drei Wochen vor, so schnell wie danach nicht mehr bei irgendwelchen Zuordnungsanträgen.

Stadionwelt: Sind Sie stolz darauf, dass das Stadion dem Landkreis gehört?
Vogel: Es ist schon etwas Besonderes und es ist eine große Herausforderung. In all den Jahren waren die Erwartungshaltungen bezüglich der Verbesserung der Bedingungen seitens des Vereins und der Fans immer groß. Manches konnten wir erfüllen, manches auch nicht. Stets war das „Machbare“ für Verein und Landkreis die Richtschnur der Entscheidungen. Und das gute Miteinander, das es von Anfang an zwischen dem Eigentümer Landkreis, dem Verein selbst, den Sponsoren und Fans und der Stadt Aue als „Sitzgemeinde“ gab, ermöglichten und sicherten die gute Entwicklung des Vereins selbst und so manche Investition in die Immobilie auch schon zu früheren Zeiten.

Stadionwelt: Welche Herausforderungen bringt diese Situation mit sich?
Vogel: Die wohl größte Herausforderung sind meines Erachtens die teils sehr langen und langwierigen Entscheidungswege. Als Eigentümer einer Immobilie treffe ich im Normalfall gegebenenfalls in Abstimmung mit meiner Hausbank eine Entscheidung. Als öffentliche Hand habe ich politische Mehrheiten zu organisieren, Gremien und Rechtsaufsichtsbehörden zu beteiligen und noch einiges mehr. Das verzögert gegebenenfalls bestimmte Prozesse und ist mitunter auch der Öffentlichkeit, vor allem den Sponsoren und Fans schwerer vermittelbar. Auch die Einordnung von Investitionen und Zuwendungen zum laufenden Unterhalt, so wie es in den Anfangsjahren noch dringend notwendig war, in den Haushaltsplan gestalteten und gestalten sich mitunter nicht ganz leicht. Dies vor allem deshalb, da die sich aus dem Besitz einer solchen Sonderimmobilie ergebenden Aufgaben eben nicht zu den Pflichtaufgaben eines Landkreises gehören und damit zwangsläufig gegen die Erfüllung originärer Pflichtaufgaben abgewogen werden müssen.

Stadionwelt: Ist es eher ein eine Chance oder eine Belastung für den Landkreis?
Vogel: Finanziell gesehen, ist es schon eine große Herausforderung, Eigentümer eines Stadion zu sein und dann ein solches Investitionsvorhaben, das zweifelsohne nicht zu den Pflichtaufgaben eins Landkreises gehört, zu realisieren. Da bin ich vor allem den Damen und Herren Kreisräten sehr dankbar, dass sie sich mit großer Mehrheit hinter diese Entscheidung, dieses Bauvorhaben anzugehen, gestellt haben. Das ist in meinen Augen nicht selbstverständlich.
Für das Image, für den Bekanntheitsgrad der Region ist es eine große Chance. Untersuchungen haben ergeben, dass nahezu 75 % des Bekanntheitsgrades dieser Region auf den Sport, die sportlichen Erfolge und insbesondere auch auf den FC Erzgebirge Aue zurückzuführen sind.

Stadionwelt: Kennen Sie andere Landkreise, die ein Stadion besitzen?
Vogel: Nein. Meines Wissens sind wir deutschlandweit der einzige Landkreis, der Eigentümer eines solchen Stadions, in dem Zweitliga-Fußball gespielt wird, ist. Darauf sind wir auch etwas stolz.

Stadionwelt: Was macht Ihrer Meinung nach das Erzgebirgsstadion aus? Was ist das Besondere?
Vogel: Das Besondere sind immer die Fans. Sie geben dem „Betonklotz“ eine besondere, unverwechselbare Atmosphäre, Gänsehautfeeling wenn man so will. Das Stadion an sich ist nichts Besonderes. Es ist ein Objekt, das zweckmäßig, funktional und solide gebaut ist und auch über den Spielbetrieb hinaus Vermarktungsmöglichkeiten, beispielsweise durch die Nutzung der VIP-Räume für Firmenveranstaltungen, Tagungen, Meetings etc. bietet.
Auf einen „Hingucker“ möchte ich aber hinweisen: der Spielertunnel, den der Verein realisiert hat. Dieser ist einem Mundloch, dem Eingang eines Bergwerksstollens, nachempfunden.

Stadionwelt: Versprechen Sie sich durch den Umbau auch touristische Effekte für die Region im Erzgebirge?
Vogel: Der FCE hat ein großes Fanpotential – nicht nur in der Region, sondern auch weit darüber hinaus. Das stelle ich immer wieder fest, wenn ich außerhalb Sachsens unterwegs bin. Viele dieser Fans sind Erzgebirger, die aus unterschiedlichen Gründen – meist berufsbedingt oder der Liebe wegen – vor Jahren die Heimatregion verlassen haben. Wenn diese zu einem Spiel nach Aue kommen, dann verbringen Sie diese Zeit zumeist bei ihren Familien. Da ein Fußballspiel keine Mehrtagesveranstaltung ist, wird sich der touristische Effekt, der von einem Neubau eines solchen Stadions ausgeht, eher in Grenzen halten. Dennoch sind uns Fans von Mitkonkurrenten in der Liga bekannt, denen es hier in der Region so gut gefällt, dass sie jedes zum Auswärtsspiel ihres Vereins nach Aue kommen und dann gleich noch ein paar Tage Urlaub dran hängen.

Stadionwelt: Gehen Sie selbst regelmäßig ins Stadion?
Vogel: Ja. Soweit es meine Zeit erlaubt, bin ich zu den Heimspielen auch im Stadion. Das sind im Verlaufe der Saison ca. drei Viertel aller Spiele.

Stadionwelt: Was ist Ihre Vision für den Club FC Erzgebirge Aue und das Stadion in den kommenden Jahren?
Vogel: Ich hoffe, in diesem Stadion wird immer nur Zweitliga-Fußball gespielt. Und dann wünschte ich mir einen Anstieg der Besucherzahlen. Mindestens ein Drittel aller Spiele sollte ausverkauft sein. Wir haben mit dem Bau des neuen Stadions den Wunsch tausender Fans erfüllt und gute Voraussetzungen geschaffen, um Fußball im Erzgebirgsstadion zu einem echten Erlebnis, einem Familienerlebnis werden zu lassen. In einem ausverkauften Stadion ist die Atmosphäre für Fans und Mannschaft dann noch einmal eine ganz andere.

Stadionwelt: Gibt es Bestrebungen, die Namensrechte des Stadions in der kommenden Spielzeit oder in den kommenden Jahren erneut zu veräußern?
Vogel: Darüber muss sich zunächst der Verein Gedanken machen. Er hat hier das Vorschlagsrecht. Ich für meinen Teil bin mit dem Namen „Erzgebirgsstadion“ sehr zufrieden. Für mich bringt dieser Name einerseits die Verbundenheit des Vereins mit der Region und andererseits der Region mit dem Verein zum Ausdruck. Und dieses Nehmen und Geben, dieses „Miteinander und Füreinander“ ist das, was uns, was die Region stark gemacht hat und auch weiter stark macht.

Stadionwelt: Was erwartet die Fans bei dem offiziellen Eröffnungsfest im Sommer 2018?
Vogel: Am 29. Juli findet das Eröffnungsspiel gegen FC Schalke 04 statt. Das wird bestimmt ein Highlight. Und dies nicht nur wegen des Wiedersehens mit Domenico Tedesco, sondern auch deshalb, weil hier zwei „Kumpelvereine“, zwei wenn man so will „Originale“ aufeinander treffen. An diesem Tag wird es sicherlich die eine oder andere kleine Überraschung geben. Die Planungen für den Tag laufen gegenwärtig im Verein auf vollen Touren. (Stadionwelt, 07.04.2018)

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