Membranen für Stadiondächer: Formvariabel und leicht

Textile Architektur ist heute mehr als ein Trend. Membranen erlauben den Architekten besondere Entwürfe und können ihrem Einsatzgebiet genau angepasst werden.

Bei den neueren Generation von Großstadien ist ein Trend besonders offensichtlich – vielmehr ist daraus beinahe schon eine neue Bau-Tradition geworden: Fassaden und Dächer werden teilweise oder vollständig mit Membranen eingekleidet. Diese Bauweise eröffnet den Architekten eine nahezu grenzenlose gestalterische Freiheit beim Design jener Alleinstellungsmerkmale, die die Bauherren von Stadien gerne einfordern. Unterstützt wird die Herausstellung solcher individueller Eigenschaften durch die Transluzenz des Gewebes sowie Licht- und Projektionseffekte. Die Tragwerkskonstruktionen solcher Dächer sind je nach Entwurf mehr oder weniger aufwändig und anspruchsvoll, in jedem Fall aber leichter und filigraner als solche, die schwerere Eindeckungen halten müssen. Mit Trägern aus Stahl und Stahlseilen, aber auch auf Holzrahmen, können hoch beanspruchbare, über große Spannweiten freitragende und dennoch feingliedrige Konstruktionen realisiert werden. Ein weiterer Vorteil dieser leichten Bauweise ist die kurze Montagezeit.

Zwei der ersten Beispiele für große textile Stadiondächer wurden in Hamburg und Schalke realisiert, auch Stuttgart und Hannover wurden mit leichter Folie überspannt. Ein Novum bot Frankfurt mit seinem inneren Faltdach, das im passiven Zustand in der Konstruktion des zentral aufgehängten Videowürfels aufbewahrt wird. Dieses Modell wurde kürzlich erst in Warschau und Bukarest in sehr ähnlicher Weise reproduziert. In Sinsheim schwebt das Dach „wie eine Wolke“ über dem Massivbau – die Liste ließe sich deutschland-, europa- und weltweit lange fortführen.

Im Kleinen wie im Großen

Aber nicht allein Großstadien profitieren von den Möglichkeiten der Membranen. Sie werden im Temporärbau ebenso eingesetzt wie bei Überdachungen von Tribünen kleinerer Sportplätze, Arenen aller Art und Freilichtbühnen. Dass diese Bauweise eher bei prestigeträchtigen Objekten anzutreffen ist als bei kommunalen Projekten für den Breitensport, ist einzig im Preis begründet. Die finanziellen Mittel bei öffentlichen Geldgebern und Vereinen sind in aller Regel knapp, während Membrandächer teurer sind als herkömmliche Konstruktionen. Begonnen beim Einkauf des Materials über die Anfertigung, das Engineering, die Seile und ihre Befestigung sowie die Sekundärkonstruktion, ist ein Membrandach rund 100 EUR/m² teurer als ein „Baukasten-System“ mit Trapezblech. Bei einer großen Dachfläche relativiert sich der Preisunterschied, dennoch werden die eng gesteckten Grenzen der Etats schneller erreicht.

Breite Modellpalette

Wer sich aber für die textile Architektur entscheidet, steht vor einer umfangreichen Auswahl an Möglichkeiten hinsichtlich des Materials und seiner gewünschten Eigenschaften. Leicht ist es bei einem Gewicht von 1 – 1,5 kg/m² grundsätzlich und sticht in dieser Hinsicht jedes Blech mühelos aus.

Die Preisklassen reichen von „solider Standard“ bis „Luxus“, wobei jede Machart in vielen Varianten hergestellt werden kann. Die Preisspanne bei den Geweben reicht in etwa von 10 EUR/m² bis 110 EUR/m². Als Vertreter der Oberklasse darf beispielsweise das mit Teflon ausgerüstete, mit PTFE (Polytetrafluorethylen) beschichtete Glasgewebe gelten. Es ist selbstreinigend, beinahe unverwüstlich und verändert sein Aussehen auch über lange Zeiträume nicht. Wie wirkungsvoll eine Teflon-Antihaftbeschichtung ist, zeigt sich im Alltag z. B. bei den Bratpfannen.

Die positiven Eigenschaften der Gore Tex Membran schätzen wir auch bei moderner Funktionsbekleidung, die jeden Regenschauer einfach abperlen lässt und dabei atmungsaktiv und höchst strapazierfähig ist. Diese Qualitäten des PTFE bietet das preisgünstigere PVC (Polyvinylchlorid) nicht auf demselben Niveau – es wird früher Verschleißerscheinungen bei verschmutzter Oberfläche zeigen. Auch hinsichtlich der Reißfestigkeit gibt es Unterschiede, die die Materialwahl insbesondere dann beeinflussen, wenn Schnee- und Windlasten nachgewiesen werden müssen. Ferner nachzuweisen ist immer die Klassifizierung gemäß der jeweils geforderten Brandschutzklasse.

Individuelle Fertigung

Das Grundmaterial der Technischen Textilien sind Trägergewebe in 2,50 bis 5 m breiten Bahnen, deren Beschichtung je nach Nutzungszweck aus mehreren Komponenten zusammengestellt wird. Die Hersteller halten es auf Lager vor, fertigen die Chargen aber auftragsbezogen und individuell angepasst. Außer etwa für Sonnenschirme, die in recht hohen Mengen „von der Stange“ verkauft werden, gibt es für die Dach-Membranen daher keine vorkonfektionierten Standard-Formate.

Bei der Unterkonstruktion, also meist in den Gewerken des Metallbaus, liefert galvanverzinktes Material solide Qualität. Wer möchte, kann seine Konstruktion aber auch in deutlich teurerem Edelstahl anfertigen lassen. Unter Anbetracht aller Optionen kann als „Hausnummer“ für den Preis eines Membrandaches mit Stahl-Unterkonstruktion mit 350 – 500 EUR/m² beziffert werden.

Die Lebensdauer von Membranen weist, je nach Material und Einsatzgebiet, eine Lebensdauer von mehr als 30 Jahren auf. Der Austausch der gesamten Membran ist nach Ablauf dieser Zeit jedoch selten notwendig, meist muss nur die Außenhaut ersetzt werden. Die Membran kann dann für viele weitere Jahre genutzt werden.

Hinsichtlich der Projektierung ist zu bemerken, dass zwar hin und wieder die Anbieter alles aus einer Hand anbieten, in der Regel aber der Bauherr mit einem Architekt eine Idee zur Ausschreibung bringen und diese dann mit dem ausgewählten Fach-Unternehmen weiter ausarbeiten. Die Eigenheiten der Textilen Architektur betreffen nicht nur die Tragwerksplanung, sondern auch die Materiawahl. Und auch die Montage und Wartung erfordert spezifische Kenntnisse, sie ist das Tätigkeitsfeld höhentauglich ausgebildeter Experten.

Weitere Spielarten der Verwendung von Membranen bestehen in luftgestützten Bauten, wie sie oft als saisonale Tennis-Hallen eingesetzt werden, oder als Folienkissen. Das weltweit prominenteste Beispiel für diese ist wohl die Fassade der Münchener Allianz Arena, während vergleichbare „Luftpolster“ auch in Dächern und Einkleidungen zahlreicher kleinerer Gebäude verbaut sind. Voraussetzung hierfür ist aber immer ein gut ausgestattetes Budget für den Unterhalt, denn Folienkissen müssen rund um die Uhr mit Gebläsen in Form gehalten werden.