Der Generalunternehmer: Dirigent des Baustellen-Orchesters

Wer als Bauherr ein Stadion mit großem Dach in Auftrag gibt, setzt eine Lawine von Prozessen in Gang. Während der Architekt Ansprechpartner für den Entwurf ist, zeichnet der Generalunternehmer für alle Details der Umsetzung verantwortlich.

Während in früheren Zeiten ein kleines Dach über der Haupttribüne einen vergleichsweise geringen Anteil am gesamten Bauwerk einnahm und auch in der weiteren Entwicklung vollständige Überdachungen auf eher einfachen Konstruktionen mit wenigen Bauteilen beruhten, sind die heutzutage geschaffenen Großdächer mit ihrer Spannweite dominante Merkmale der jeweiligen architektonischen Entwürfe. Die Anforderungen an Planung und Bau sind komplexer geworden, sodass die Dach-Gewerke auch in den Projektplänen der Bauunternehmen einen immer größeren Stellenwert einnehmen.

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Im Sinne der Wirtschaftlichkeit ist es aus Sicht des Generalunternehmers (GU) ein Idealfall, wenn die Möglichkeit besteht, schon in einem frühen Stadium mit den Architekten und Tragwerksplanern zusammenzuarbeiten. Wenn allerdings ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben ist, dessen Siegermodell in die Ausschreibung geht, wird der Generalunternehmer erst hinzugerufen, wenn die Vorplanung schon weit fortgeschritten ist.

Wenn – auf welchem Weg auch immer – ein neues Stadionprojekt auf dem Tisch des Generalunternehmers liegt, wird eine Abfolge von Schritten eingeleitet, in denen seine technischen Abteilungen das Dach bewerten, Optimierungspotenziale erarbeiten und mit dem Tragwerksplaner besprechen. Schließlich verantwortet der GU das Gesamtprojekt, gewährleistet die geforderte Qualität und verwaltet den Etat. Bei dessen endgültiger Festlegung freilich fließen viele technische Informationen zusammen, die dem Außenstehenden als undurchdringlicher Dschungel erscheinen mögen. Für Bauunternehmen jedoch gehört es zum Tagesgeschäft, Kalkulationen zu erstellen. Und je erfahrener ein GU mit Großdächern ist, desto routinierter ist auch der Umgang mit dem spezifischen Zahlenwerk.

Problemzonen ausschalten

Um die Stahlbaugewerke zu kalkulieren, werden spezielle Computerprogramme unter anderem mit den Werten für die Rohrquerschnitte und sich daraus ergebenden Tonnagen gespeist; parallel müssen die Bauabläufe geplant und darauf untersucht werden, ob etwa ungünstige Überschneidungen im Zusammenspiel von Beton- und Stahlbau zu erwarten sind. Auch hierfür werden spezifische Computermodelle herangezogen, die die Entstehung des Bauwerks dreidimensional darstellen und etwaige Schwächen in der Planung zu erkennen geben.

Sind die unterschiedlichen Abläufe nach einem interaktiven Prozess auf der Zeitachse synchronisiert, kann auch bestimmt werden, wann das Werk welche Teile liefern muss und welche Lasten zu welchem Zeitpunkt zur Baustelle zu transportieren und dort mit Spezialgerät zu heben sind. Dies ist bei der Ringseilkonstruktion von besonderer Relevanz, weil der Innenraum des Stadions für die Hebevorgänge gesperrt werden muss und nicht etwa gleichzeitig ein neues Spielfeld angelegt werden kann.

Bei der Aufgabe, den Auftrag innerhalb des Terminrahmens zu erledigen, muss der GU aber eine Reihe weiterer Faktoren berücksichtigen. Wird während der Wintermonate montiert, ist immer mit Kälteeinbrüchen zu rechnen. Diese können die Produktion sowohl der Betonwerke beeinträchtigen als auch die Verarbeitung von Ortbeton. Die Stahlbaugewerke werden möglicherweise durch Schneefall oder Vereisungen behindert. Ist man darauf angewiesen, das Dach über den Winter zu bauen, wird man bei vorausschauender Planung zu Montagearten tendieren, die weniger Risiken für Verzögerungen mit sich bringen. Unter winterlichen Bedingungen ist es beispielweise einfacher zu schrauben als zu schweißen.

Der Vorlauf für die Planungsvorleistung eines Stadion-Großdaches beträgt im Schnitt 14 Monate; liegen im Werk die Pläne mit allen Beschreibungen, so auch die aller Schweißnähte vor, dauert die dortige Produktionsphase je nach Art und Größe des Daches 4 – 8 Monate. In etwa die gleichen Werte gelten für den Vorlauf bei Logistik und Bau.

Verschiedene Konstellationen

Wie viele Gewerke der Generalunternehmer in Eigenregie übernimmt und wie viele er an Nachunternehmer vergibt, bleibt ihm überlassen. Es ist hierbei aber durchaus sinnvoll, üblich und insbesondere bei kleineren Projekten seitens des Bauherrn manchmal erwünscht, regionale Handwerksbetriebe, die die entsprechenden Qualifikationen vorweisen, mit einzubeziehen. Bezüglich der Qualität der ausgeführten Arbeiten bleibt, da nach Normen und Verordnungen ausgeschrieben und gebaut wird, kein Spielraum. Aber eingespielte Teams, die bereits Projekte erfolgreich miteinander realisiert haben, können Vorteile bei der Effizienz bewirken. Und für die Gesamtkoordination wertvolle Synergien ergeben sich auch, wo der GU auf Beton- oder Stahlwerke sowie Arbeitstrupps aus dem eigenen Unternehmensverbund zurückgreifen kann.

Davon abgesehen, ist es für die Unternehmen aus der Planungs- und Bau-Branche jedoch üblich, in verschiedensten Konstellationen zusammenzuarbeiten. In einigen Fällen beschäftigt sich innerhalb von Arbeitsgemeinschaften auch ein Generalunternehmer mit dem Massivbau und ein anderer mit dem Dach. Und es ist keine Seltenheit, dass Firmen, die bei einem Projekt in einer Arbeitsgruppe kooperieren, gleichzeitig an anderer Stelle als konkurrierende Bieter auftreten.

Der Bauherr kann den Bau in Einzelvergabe der Gewerke in Auftrag geben oder einen Generalunternehmer einsetzen (Neben dem GU-Modell wird in der Praxis des Stadionbaus mittlerweile oft das Generalplaner-Modell (GP) bevorzugt, das zwar zum selben Ergebnis führt, bei dem aber die Verantwortlichkeiten anders geregelt sind, indem Planung und Bau in einer Hand liegen bzw. der Bauherr ein kompakter dargestelltes Leistungspaket erhält. Bei der Beschreibung der an dieser Stelle dargestellten fachlichen Ingenieurleistungen spielt der Unterschied GU/GP allerdings keine wesentliche Rolle).

Gegenüber dem Bauherrn treten der GU wie auch der GP immer gesamtverantwortlich auf und müssen dabei unter anderem die Vereinbarungen der VOB (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen) erfüllen. Nachbesserungen, die auf die Bauabnahmen folgen, gehören am Bau ebenso zum Alltag wie Nacharbeiten im Rahmen der jeweils gültigen Gewährleistungsphase (i. d. R. 5 – 10 Jahre). Dies entbindet den Auftraggeber jedoch nicht von eigenen Pflichten, die in zuvor bekanntgemachten Punkten darin besteht, die funktionelle Integrität des Stadion-Daches aufrecht zu erhalten. Die Aufgaben des Bauherrn beziehungsweise Betreibers bestehen zum Beispiel darin, die Reinigungsintervalle einzuhalten und regelmäßig Sichtungen auf Mängel durchzuführen. Gegebenenfalls werden zu diesem Zweck Werkverträge zur Wartung mit dem Generalunternehmer oder seinen Nachunternehmern vereinbart.

Grundsätzliche Überlegungen zum Stadiondach

Erfahrene Planer von Stadiondächern bemühen sich im Vorfeld, gegebenenfalls gemeinsam mit dem GU, herauszufinden, ob im Einzelfall eine Kragarm- oder Ringseilkonstruktion wirtschaftlich vorteilhafter ist. Ab einer Spannweite von 30 bis 35 Metern kann ein Punkt erreicht sein, an dem letztere günstiger abschneidet, auch, wenn die Kragarm-Variante weniger Schnittstellen und Komponenten erfordert. Es liegt nahe, große Spannweiten mit optisch ansprechenden und leichten Membranen auszustatten. Allerdings ergibt sich hier am Ende ein hoher Quadratmeter-Preis.

Ähnlich verhält es sich mit transluzenten Polycarbonat-Platten, die im Vergleich zum Trapezblech teurer und aufwändiger zu montieren sind, da sie wegen ihrer geringen Breite auf viele Pfetten im Sekundärtragwerk angewiesen sind. Eine diesbezüglich wegweisende Entscheidung am Start jedes Projektes ist die, ob ein neues Stadion eher ein Zweck- oder ein Prestige-Bau werden soll und welche Rolle das Dach bei dieser Positionierung einnimmt. Für die Planer wie auch den Generalunternehmer ergeben sich aus dieser Weichenstellung zahlreiche Vorgaben, die nicht allein das Erscheinungsbild, sondern auch das Budget betreffen.

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