Stadion: Planung für ein perfektes Klangbild

Die Beschallung eines gesamten Stadions mit fest installierter Technik erforderte komplexe Planungsarbeit und eine sorgfältige Umsetzung. Auch die Koordination mit anderen Gewerken ist von Bedeutung.

Wenn ein Stadion geplant wird, stehen vor allen Dingen Merkmale wie das Fassungsvermögen, die Nutzungsmöglichkeiten und das von der Tribünengeometrie, dem Dach und der Fassade geprägte Erscheinungsbild im Mittelpunkt. Den Sound hingegen betrachtet man meist als eines von vielen Ausbaugewerken, womit seine Konzeption oft erst dann im Detail vorgenommen wird, wenn das Gebäude mitsamt Tribünenausstattung schon steht – und damit die Fachplaner für den Sound vor vollendeten Tatsachen stehen. In vielen Fällen beklagen die Akustik-Experten diese Vorgehensweise: Die Ausgestaltung des Klangbildes kann auch von scheinbar nebensächlichen Faktoren durchaus entscheidend beeinflusst werden, und unter Umständen sind auch optimale Kabelwege nicht mehr zu realisieren. Zudem müssen bei der Statik des Daches durch die Lautsprechermontage entstehende Lasten berücksichtigt werden. Erfolgt die Ausschreibung für die Beschallung erst, wenn das Dach schon errichtet wurde, kann es zu spät sein, auf Anforderungen einzugehen, die zu diesem Zeitpunkt erst definiert werden. Kostspielige Nachbesserungen lassen sich dann oft nicht vermeiden.

Selbstverständlich haben Stadionbetreiber und Verein den Wunsch, ein Stadion zu erhalten, das dem Idealbild des engen, steilen und lauten „Hexenkessels“ möglichst nahe kommt. Die Grundlage hierfür schafft der Architekt mit einer Anordnung der Gebäudeteile, die die durch das Publikum erzeugte Atmosphäre verdichtet. Zum Stadion-Erlebnis trägt dann das Rahmenprogramm mit Moderation und verschiedenen Medienzuspielungen bei. Die Durchsagen während des Spiels sollen gut zu verstehen sein, und heute stellt jedes Publikum hohe Ansprüche an den Sound, wenn Musik wiedergegeben wird. Planungsgrundlage für die Beschallung ist es jedoch zunächst nicht, den gewünschten Event-Charakter zu schaffen; vielmehr findet ein umfangreiches Regelwerk an Normen und Bestimmungen Anwendung, das sich auf die Beschallung in ihrer Funktion als Sprachalarmanlage bezieht. Dieses Pflichtprogramm muss erfüllt werden, um die Bauabnahme zu bestehen. Eine stiefmütterliche Behandlung der Beschallungsgewerke im Planungsprozess wird sich insofern immer als Problemquelle erweisen – ganz zu schweigen von der allgemeinen Unzufriedenheit, die entsteht, wenn das Klangbild am Ende nicht den Ansprüchen gerecht wird.

Fachplaner im Dialog

Bei üblichem Verlauf eines Stadion-Projekts beauftragt der Bauträger beziehungsweise Generalunternehmer ein Ingenieurbüro als Fachplaner für die Akustik. Dieser Auftragnehmer ist dann für die Ausschreibung der betreffenden Gewerke zuständig und begleitet deren Ausführung durch die beauftragten Fachunternehmen bis zur behördlichen Abnahme. Je früher dieser Prozess in die Wege geleitet wird, desto besser können die Anforderungen der Akustiker mit denen anderer Fachplaner in Einklang gebracht werden. Ein wesentlicher Punkt für den Klang sind reflektierende Flächen. Ob eine Wand zum Beispiel mit Blech verkleidet wird oder man sich auf Sichtbeton verständigt, macht am Ende einen großen Unterschied aus. Auch Details bei der Bestuhlung spielen ihre Rolle. Wird ein Sektor mit gepolsterten Sitzen ausgestattet, ergibt sich eine andere, günstigere akustische Charakteristik als dann, wenn es sich um einfache Plastikschalen handelt. In der Praxis sind es oft genug aber ebendiese Feinheiten, die spät entschieden werden und eine Nachjustierung des Beschallungskonzeptes bedingen können.

Letzteres entsteht unter Zuhilfenahme einer Computersimulation. Die Software „EASE“ ist hier weltweiter Standard. Dem Akustik-Fachplaner stehen im Software-Paket zahlreiche Module zur Verfügung, die zur Eingabe von Parametern dienen. Zunächst wird anhand eines 3-D-Raumgittermoduls sehr präzise das zu beschallende Stadion eingepflegt, indem die architektonischen Daten aus dem CAD-Programm der Architekten eingelesen werden. Anschließend kann die Simulation beginnen. Aus einer Datenbank könn en alle derzeit aktuellen Lautsprechermodelle ausgewählt werden. Eine weitere Datenbank steuert die verwendeten Materialien bei. Ob Sitze, Beton, Teppichboden, Metalle oder Tribünen mit und ohne Publikum, der Planer stellt hier alle nach gegenwärtigem Stand der Gesamtplanung verfügbaren Materialeigenschaften ein und kann jedem Punkt noch diverse Eigenschaften zuweisen.

Unter Zuhilfenahme einiger weiterer Einstellungen kann der Fachmann unterschiedliche Ergebnisse auswerten. Die Auralisation ist das akustische Pendant zur Visualisierung und macht das zukünftige Klangbild hörbar. Unter anderem die Sprachverständlichkeit und Nachhallzeiten können für jeden Hörerplatz unter Eingabe verschiedener Faktoren probiert werden. Das Mapping wiederum macht den Schall sichtbar. Flächen und Einflussfaktoren können eingefärbt werden, wodurch sich graduelle Abstufungen unter anderem des Schalldruckpegels und der Sprachverständlichkeit anschaulich anhand von Grafiken beurteilen lassen. Entspricht die tatsächliche bauliche Umsetzung weitgehend den hier zugrunde liegenden Angaben, erreicht die Simulation einen hohen Genauigkeitsgrad. Je mehr Parameter jedoch nachträglich nicht mehr dem hier angenommenen Zustand des Stadions entsprechen, desto größer die Abweichungen zu Ungunsten des Klangbildes.

Klang unter Kontrolle

Maßgeblich für die Abnahme ist die Sprachverständlichkeit laut Normen und gegebenenfalls auch laut Anforderungen, die Verbände wie DFL oder FIFA für ihre Wettbewerbe ausgeben. Dass aber auch ein Rahmenprogramm mit Video- Musikeinspielungen gut beim Zuhörer ankommen muss, liegt auf der Hand. Damit ist das Anforderungsprofil für die Wahl der Lautsprecher schon recht komplex – erst recht, sofern diese sowohl für die Notfall-Durchsagen wie auch das Event-Programm verwendet werden sollen. Und Einsparungen bei der Hardware führen unter Umständen am Wunschergebnis vorbei. Hinsichtlich der Größe der Anlage orientiert sich ein Sound-Ingenieur nicht an der Zuschauerzahl in diversen Stadionsektoren, sondern an deren Fläche. Ab einer gewissen Größe einer Sportstätte wächst die Entfernung der Schallquelle zum Publikum, womit Lautstärke verloren geht. Ein Richtwert für die zu erreichende Mindestlautstärke der Lautsprecher bei der Alarmierung in Notfällen ergibt sich aus der Umgebungslautstärke, die deutlich übertroffen werden muss. Schon in einem kleineren Stadion können dies etwa 105 dB sein.

Optimal ist es hierbei, die Lautsprecher, ob als einzelne Boxen oder Arrays, ausschließlich auf die jene Bereiche, also die die Tribünenplätze, auszurichten, die auch beschallt werden sollen. So sind der beste Sound bei hoher Sprachverständlichkeit und günstige Emissionswerte gewährleistet. Die Emission des Schalls beziehungsweise Immissionen insbesondere in benachbarte Wohngebiete unterliegen amtlichen Vorgaben und werden – wie auch im vergleichbaren Fall des Flutlichts – kontrolliert. Unzulässige Werte oder Beschwerden aus der Nachbarschaft können zu Problemen bei der Betriebsgenehmigung führen, jedoch sind spezialisierte Toningenieure in der Lage, Lösungen herbeizuführen. Auch hier muss betont werden, dass eine rechtzeitige sorgfältige Planung hilft, Nacharbeiten überflüssig zu machen.

Je größer das zu beschallende Stadion ist, desto teuerer wird auch die Beschallung – der finanzielle Aufwand wächst jedoch nicht exponentiell, da viele Komponenten der Ausstattung die gleichen sind, so unter anderem die Ansteuerung. Ist ein Stadion doppelt so groß wie ein Vergleichsobjekt, steigt der finanzielle Mehraufwand gegenüber einem kleineren Referenzobjekt um den Faktor 1,5 bis 1,75. Abweichungen nach oben sind aber dann zu erwarten, wenn ein besonders großes Hauptgebäude mit weitläufigen Nutzflächen zum Projekt gehört. Hinsichtlich der Lebensdauer einer Soundanlage im Stadion kann der Betreiber von mindestens zehn Jahren ausgehen. Je hochwertiger das installierte Gerät ist und je mehr es auf den Outdoor-Einsatz mit seinen Wettereinflüssen ausgerichtet ist, desto höher sind die Chancen auf eine längere Betriebszeit.

Die Lautsprecher der Tribünenbeschallung sind für jedermann sichtbar und befinden sich – eine geschlossene Bauweise des Stadions vorausgesetzt – am Catwalk, einem Wartungssteg unter dem Dach, oder unter der Dachkante. Je nach Größe des Bauwerks kann es sich um einzelne Lautsprecher-Boxen handeln oder aber auch Line Arrays. Solche „Bananen“ in J-Form erreichen ein beträchtliches Gewicht. Es ist aber für jede Art der Installation eine statische Planung erforderlich, und in Versammlungsstätten über Kopf befestigte Geräte unterliegen besonders strengen Prüfauflagen. Pro Punkt an einem Träger können die Lautsprecher ein Gewicht von 50 bis 300 kg bedeuten oder sogar mehr. Derartige Lasten sollten in einem frühen Planungsstadium berücksichtigt werden. Ältere Dachkonstruktionen können diese Lasten mitunter nicht tragen, auch können sich unter anderem Kamera-Sichtlinien limitierend auswirken, wenn etwa ein Ausbau oder eine Aufwertung einer Spielstätte ansteht. In solchen Fällen sind Fachleute mit viel Erfahrung allerdings in der Lage, Sonderlösungen zu erarbeiten. Wo kein umlaufendes Dach zur Verfügung steht, dienen Maste oder Zäune zur Befestigung der Lautsprecher.

Wo alles zusammenläuft

Weite Teile der Beschallungsanlage befinden sich außerhalb des Blickpunkts der Allgemeinheit, und alle Kabel führen letztendlich in die zentrale Tonregie sowie den ELA-Raum, der gemäß bestimmten Anforderungen die Notfall-Technik beherbergt. Um alle Tonsignale auf alle Lautsprecherkreise verteilen zu können, verfügt die Regie über eine Kreuzschiene beziehungsweise Matrix. Ohne einen solchen digitalen Verteiler, in dem alle gewünschten Signalwege vorbereitet sind und sich auf Knopfdruck steuern lassen, müssten die jeweiligen Konstellationen per Hand auf einem Steckfeld geschaffen werden – mit entsprechender zeitlicher Verzögerung und vielen Fehlerquellen. Zentral in der Regie werden auch externe Schnittstellen gesteuert, so zum Beispiel die Sound-Anlage einer Party oder das Halbzeitprogramm mit Moderator, dessen Funkmikrofon sein Signal ebenfalls hierhin liefert.

Üblicherweise befindet sich die Regie in der Haupttribüne neben den Leitstellen der Feuerwehr, der Polizei und gegebenenfalls weiteren zentralen Einheiten. Zwar verfügen größere Veranstaltungsstätten mittlerweile über Interkom-Anlagen zur internen Kommunikation zwischen allen Mitarbeitern – dennoch ist in aller Regel auch der Sichtkontakt zur Aktionsfläche gegeben. Die planerisch anspruchsvollere Aufgabe ist es indes, die Wege jedes der kilometerweise verlegten Kabel festzulegen und deren Verlegung durch eingezogene Decken und Kanäle im gesamten Gebäude tatsächlich möglich zu machen. Nachträgliche Beton-Bohrungen sind aber die Regel, weil schlichtweg nicht jeder Aspekt der späteren technischen Ausstattung bei der Planung des Massivbaus vorauszusehen ist. Eine fliegende Verkabelung möchte man bei Festinstallationen aber nach Möglichkeit vermeiden.

Da Arenen, Stadien und Event-Center aller Art immer multifunktionaler werden, beschränken sich heute wenige Projekte auf die Bereiche der Tribünen zuzüglich der Alarmierungsanlage. Die Einrichtung von Kongress-Centern mit integrierter Veranstaltungstechnik ist im Rahmen von Sportstättenprojekten keine Seltenheit mehr. Zudem möchten sich mit den Gebäudetrakten der Haupttribüne viele Betreiber auch als Party- und Event-Location konkurrenzfähig auf dem Markt anbieten. Aber ist die pflichtgemäß installierte Notfallbeschallung auch für solche Zwecke geeignet? Eher nicht.

Für kleinere Räume und wenig anspruchsvolle Anwendung mag die 100-Volt-Technik noch ausreichen, also etwa für die Einspielung leiser Hintergrundmusik, Ankündigungen oder einfache Sprachdurchsagen. Die Deckenlautsprecher sind darauf optimiert, sich gegen den Schallpegel ihrer Umgebung durchzusetzen und können somit ausreichen, wenn zum Beispiel die Pressekonferenz innerhalb des Presseraums oder in weitere Gebäudeteile hörbar gemacht werden soll. Geht es aber um eine Party oder eine vergleichbare Veranstaltung mit differenzierteren Anforderungen an die Sound-Qualität, empfiehlt es sich, zusätzlich eine Pro-Audio-Anlage mit Lautsprechern für einen höheren Schallpegel und erweiterten Frequenzgang aufzubauen.

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Beschallung / Sound