„VIP ist mehr als all you can eat & drink”

Im Interview mit Stadionwelt spricht Mario Lucan, Vice President E-Commerce & Hospitality bei SPORTFIVE, über das Hospitality-Erlebnis, Ausstattungstrends und die VIP-Themen der Zukunft.

Stadionwelt: Wie hat sich generell das Hospitality-Erlebnis in den letzten Jahren verändert? Welche Faktoren gehören heutzutage zu einem runden VIP-Paket?

Bild: SPORTFIVE
Lucan: Die Anforderungen der Gäste an das Hospitality-Erlebnis haben sich verändert. Wo früher “All you can eat” und das B2B-Networking entscheidend waren, haben sich die Anforderungen der einzelnen Zielgruppen stark diversifiziert. Rechtehalter und Venues müssen diese Veränderungen erkennen und entsprechend darauf reagieren. One fits all genügt nicht mehr.

Heutzutage beschränkt sich das VIP-Erlebnis nicht nur auf den Spieltag, sondern beginnt bereits bei der Informationssuche zum VIP-Angebot. Hier setzt SPORTFIVE mit digitalen und automatisierten Lösungen wie unserem Online-Ticketshop Official VIP und einer After Sales-Plattform an, die den Kund:innen eine state-of-the-art Customer-Experience bieten.

Auch im Stadion selbst kann man eine Diversifizierung bei der Gestaltung der Logen beobachten: Viele Clubs setzen auf alternative Logen- und Loungekonzepte, bei denen nicht mehr allein das Spiel im Mittelpunkt steht – so z.B. bei der HSV Esports Loge, der Kulturloge bei Union Berlin oder der Teamlounge bei Hertha BSC. Die Clubs und deren Partner sind bemüht, ein ganzheitliches Erlebnis für den Gast zu schaffen, bei dem sich nicht alles allein um den Sport dreht. Noch ist das nicht flächendeckend der Fall, aber wir nehmen hier eine positive Entwicklung wahr.

Stadionwelt: Welche Rolle spielt bei alledem die Compliance-Problematik? Sind Logen als Ort für Einladungen obsolet geworden oder hat man andere Wege gefunden, das gemeinsame Erlebnis z.B. mit Geschäftspartnern, darzustellen?
Lucan: Logen werden nach wie vor gern für Kundeneinladungen und zum Networking genutzt. Die meisten Unternehmen wissen mittlerweile, wie sie Kundeneinladungen Compliance-konform gestalten. Wir beobachten einen Trend dahin das Sportevent mit weiteren Inhalten wie z.B. Vorträgen oder Experten-Talks zu verbinden und so den Business-Kontext noch mehr zu stärken. Parallel zu der stabilen Nachfrage von Unternehmen nach Logen beobachten wir bei Privatpersonen eine steigende Nachfrage nach VIP-Tickets.

Stadionwelt: Was sind mit Blick auf die VIP-Räumlichkeiten in Deutschland Trends in puncto Ausstattung? Einerseits Medien- und Veranstaltungstechnik und anderseits Interieur und Ambiente?
Lucan: Ob Business Area, offener Barbereich, Food-Stations oder Sportsbar – die Ausstattung muss sich immer an den Zielgruppen orientieren, vielseitig einsetzbar sein und im Rahmen der Venue-Gegebenheiten umgesetzt werden.

Maßstab hierbei sind moderne Eventlocations, insbesondere Multifunktionsvenues, mit denen die Sportstätten von Rechtehaltern im Wettbewerb stehen. Denn die Stadien und Arenen sollen nicht nur für die 17 Heimspiele pro Saison genutzt werden, sondern auch für viele weitere Events wie Abiturfeiern, Jahreshauptversammlungen, Partner-Treffs, Firmenveranstaltungen der Partner etc. International haben zum Beispiel Real Madrid oder die Tottenham Hotspurs ihre Arenen dahingehend konzipiert, dass nicht nur Fußballspiele, sondern auch andere Veranstaltungen im Stadion stattfinden können. In der Fußball-Bundesliga gehen z.B. der Hamburger SV, Hannover 96 und Bayer Leverkusen mit gutem Beispiel voran.

Offenes Raumkonzept: Impressionen aus dem VIP-Bereich in Leverkusen.
Offenes Raumkonzept: Impressionen aus dem VIP-Bereich in Leverkusen. Bild: SPORTFIVE

Stadionwelt: Gibt es dabei Unterschiede zwischen Stadien und Indoor-Arenen?
Lucan: Gerade Multifunktionsarenen wie die LANXESS arena in Köln, die Barclaycard Arena in Hamburg oder die Mercedes Benz Arena in Berlin sind von Anfang an für die Nutzung für verschiedene Sport- und Entertainment Events konzipiert. In diesen Hallen findet mit Abstand die größte Bandbreite an Events statt, weshalb dort alle Bereiche auf Multifunktionalität ausgerichtet sind.

Im Gegensatz dazu haben Fußballstadien einen klaren Fokus auf den Ligabetrieb und damit auf die Bedürfnisse der Mannschaft, Fans und VIP-Gäste. Bei der Umsetzung von Events außerhalb der Fußballspiele werden die vorhandenen Voraussetzungen bestmöglich genutzt.  Außerdem werden die Stadien sukzessive modernisiert und umgebaut, um eine immer bessere Multifunktionalität bieten zu können.

Stadionwelt: Welche Bedeutung hat für den Vermarkter die Qualität des Stadion-Caterings und die Infrastruktur, die dahintersteht – und wie können Sie ggf. nachjustieren, wenn entsprechendes Feedback dies verlangt?
Lucan: Das Stadioncatering und die Infrastruktur dahinter sind maßgebliche (Hygiene-)Faktoren, bei denen die Leistung stimmen muss. Werden entsprechende Standards nicht erfüllt, führt das zu Unzufriedenheit und Kundenbeschwerden. Es ist aber schwer, allein über das Catering einen Kunden zu überzeugen oder einen Wow-Effekt zu erzielen. Als Vermarkter erfragen wir in regelmäßigen Abständen die Kundenzufriedenheit, teilen die Ergebnisse mit unseren Rechtehaltern und machen auf dieser Grundlage Verbesserungsvorschläge. Die konkrete Umsetzung liegt dann beim Rechtehalter.

Speisen in der 19nullvier-Lounge in der BayArena.
Speisen in der 19nullvier-Lounge in der BayArena. Bild: SPORTFIVE

Insbesondere mit Blick auf vegetarische und vegane Alternativen stehen Clubs vor einer Herausforderung: Zum einen will sich der klassische Fußball-VIP-Gast am Spieltag etwas „gönnen“ und dazu gehört für ihn auch Fleisch als Luxusgut. Dieses Bedürfnis wollen die Clubs befriedigen, sind sich auf der anderen Seite aber auch ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst und können nicht nur Fleisch-lastige Speisen anbieten. Der BVB geht hier mit seiner Partnerschaft mit Rügenwalder Mühle und der ersten veganen Currywurst mit gutem Beispiel voran. Auch andere Clubs legen mehr und mehr Wert auf Lebensmittelpartner, die vegetarische und vegane Produkte anbieten und erarbeiten gemeinsam Konzepte, wie der Umstieg auf fleischfreie Alternativen gelingen kann. Als Vermarkter legen wir hier den Grundstein zwischen Rechtehalter und potenziellem Partner.

Stadionwelt: SPORTFIVE besitzt Mandate bei zahlreichen Proficlubs. Wie stark bringen Sie sich bei der Konzeption von VIP-Bereichen ein?
Lucan: Die Konzeption der VIP-Bereiche erfolgt immer in enger Zusammenarbeit mit den Clubs. Wir bekommen aus verschiedenen Perspektiven Input, wie ein VIP-Produkt verbessert werden kann. Das reicht von technischen Innovationen, digitalen Plattformen und dem Content am Spieltag bis hin zum Catering oder dem Vertriebskonzept. Diese Perspektiven bringen wir in den gemeinsamen Produktentwicklungsprozess mit den Rechtehaltern ein.

Sitzecke im Stadion in Fürth.
Sitzecke im Stadion in Fürth. Bild: SPORTFIVE

Stadionwelt: Wie lange hält heutzutage ein Lounge-Konzept? Wie oft muss man sich erneuern und damit auf Trends reagieren?
Lucan: Neue Konzepte beeindrucken die Kunden zunächst und schaffen Begehrlichkeiten, in einem neu konzipierten Bereich dabei zu sein. Nach fünf bis acht Jahren stellt sich dann ein gewisser Sättigungseffekt ein. Spätestens dann sollten die Konzepte hinterfragt und erneuert werden.

Die wichtigsten Faktoren für die Nachfrage sind allerdings immer noch der sportliche Erfolg und die Identifikation mit der Marke des Clubs. Ist die Marke stark und der Identifizierungsgrad seitens der Gäste hoch, ist die Ausgestaltung oder das Konzept weniger entscheidend. Durch eine starke Marke lässt sich die „Lebenszeit“ eines Lounge-Konzeptes wesentlich verlängern.

„Die Vermarktung muss unbedingt digitaler gestaltet werden.“

Stadionwelt: Auch die VIP-Bereiche deutscher Stadien und Arenen werden immer digitaler. Welche Dinge gewinnen hier an Bedeutung und können Sie positive Beispiele aus der Praxis nennen?
Lucan: Durch die Digitalisierung lassen sich viele Prozesse automatisieren und effizienter gestalten, weshalb ihr eine maßgebliche Rolle bei der Weiterentwicklung der VIP-Experience zukommt. Doch ohne den Faktor Mensch wird Hospitality nie funktionieren. Denn das Produkt Hospitality lebt nicht von maximaler Effizienz und Prozessoptimierung, sondern von einer guten Zeit. Und diese gute Zeit wird vor allem durch menschlichen Kontakt und Austausch geschaffen. Die Clubs müssen diejenigen Situationen identifizieren, bei denen der Wunsch nach Effizienz und Optimierung besteht – wie das Ticketing oder die Einlasskontrollen – und diejenigen, bei denen es auf die menschliche Interaktion ankommt. Das Digitale und das Analoge, also der Mensch, konkurrieren nicht miteinander, sondern sind bei der Weiterentwicklung beide unentbehrlich.

Die Vermarktung von VIP-Erlebnissen muss jedoch unbedingt digitaler gestaltet werden. Wir beobachten, dass die Gäste in den VIP-Bereichen im Schnitt immer älter werden. Jüngere können mit dem Konzept Hospitality wenig anfangen. Diese neuen Zielgruppen erreichen wir nicht über PDFs und PPTs, sondern über digitales Marketing.  

Ein positives Beispiel für digitale Services ist die After Sales App bei Borussia Dortmund. Hier wird den Käufer:innen eine effiziente und schnelle Lösung zur Ticketverwaltung geboten. Statt des Papiertickets in die Hand bekommen die Kund:innen in der App am Spieltag alle Infos, die rund um das Spiel und den Besuch im VIP-Bereich interessant sind. Darüber hinaus bietet das Business-Netzwerk in der App allen Ticketinhabern:innen die Möglichkeit, sich vor, nach und am Spieltag über ihr Smartphone zu vernetzen. Wie bereits für den BVB bieten wir bei SPORTFIVE all diese Funktionen unter dem Namen E2E-Hospitality-Plattform für Rechtehalter und Hospitality-Kunden an.

Stadionwelt: Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit bei VIP-Angeboten? Welche Aspekte gehören dazu? Wie lassen sich Nachhaltigkeit und exklusiver Service unter einen Hut bringen?
Lucan: Der Fußball und seine Stakeholder haben durch ihre gesellschaftliche Relevanz eine Vorbildfunktion. In den kommenden Jahren wird Nachhaltigkeit zunehmend wichtiger und – im Rahmen der DFL-Lizenzkriterien – sogar verpflichtend. Die Clubs müssen sich nachhaltiger aufstellen.  Nachhaltigkeit und exklusiver Service schließen sich nicht grundsätzlich aus, hier gilt es durch ein Neudenken neue Ansätze zu schaffen. VIP ist mehr als “all you can eat & drink”. Kunden möchten im Stadion ein ganzheitliches und besonderes Erlebnis geboten bekommen, und das geht auch mit einem maßvollen, hochwertigen und nachhaltig hergestellten Speisen- und Getränkeangebot. Beim Catering spielen die Qualität und die Verwertung der Lebensmittelreste (z.B. über Too good to go) ebenso eine Rolle wie die Verwendung ressourcenschonender Materialien und die Vermeidung von Müll und Plastik. Die Mobilität von und zum Stadion ist natürlich auch ein entscheidender Faktor: mehr Fahrrad, ÖPNV und Shared Shuttle statt der Anreise im eigenen Auto.

Stadionwelt: Wie wird sich der VIP-Besuch in den nächsten Jahren verändern? Welche weiteren Themen werden an Bedeutung gewinnen?
Lucan: Die „customized experience“ wird in den kommenden Jahren eine große Rolle spielen – die Kunden haben den Anspruch, ihr VIP-Erlebnis eigenständig und individuell zu gestalten. Eine klare Linie ist dennoch wichtig:  Je nach Club muss sich das Produkt von dem Angebot anderer Clubs abheben – zum Beispiel durch eine starke Marke sowie durch spezifische Erlebnisse, die es nur bei dem jeweiligen Verein gibt. Sonst wird das VIP-Erlebnis austauschbar. Insbesondere Clubs, die nicht konstant sportlich erfolgreich sind, müssen andere, innovative Lösungen finden, um Gäste zu gewinnen und zu halten.

Auch Augmented Reality wird in den nächsten Jahren eine zunehmende Rolle spielen. Wie die Verschmelzung von virtueller und realer Welt aussehen wird, bleibt spannend. Hier bieten sich aber viele Möglichkeiten, nicht zuletzt durch die neu vorgestellte VR/AR-Brille von Apple, mit der sich innovative und neue Möglichkeiten des Entertainments bieten. (Stadionwelt, 29.06.2023)

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