Kolumne: Kein Sommermärchen
Die UEFA EURO 2020 hätte ein Leuchtturm-Event in Zeiten der Corona-Pandemie sein können – sie war es aber nicht. Eine Kolumne von Thomas Albinger, Geschäftsführer der in München ansässigen Companeer GmbH.
Wenn man für die Veranstaltungsbranche das Bild eines Schiffes bemüht, das durch die Wellen der Pandemie manövriert, vorbei an Klippen und Untiefen, dann hätte die UEFA EURO 2020 ein Leuchtturm sein können. Manche Signale waren aber eher Irrlichter. Die Botschaft der UEFA lautete: Wir spielen vor möglichst viel Publikum – und wenn es euch nicht passt, gehen wir woanders hin.
Viele Menschen haben nicht verstanden, warum Zigtausend ins Stadion dürfen, andere Aktivitäten aber verboten sind. So verzeichnet der Polizeibericht zu den Spieltagen in München keine besonderen fußballbezogenen Vorkommnisse in der Stadt. Aber zeitgleich mussten etliche öffentliche Plätze und Straßen wegen "Überfüllung durch feiernde Personen" geräumt werden, so die Pressemitteilungen.
Dass die Europameisterschaft durch die eingeschränkte Besucherzahl im Stadion zu einer Veranstaltung ausschließlich für gut zahlende Klientel wurde, kam auch nicht gut an. Public Viewings wurden in München unterbunden. Eine strenge Auslegung gültiger Verordnungen durch die städtischen Behörden begrenzte die Besucherzahl auf tausend Personen und setzte eine Testpflicht fest. Das führte dazu, dass die typischen Anbieter von Public Viewings, nämlich Wirte großer Biergärten, lieber auf konventionellen Betrieb setzten. Dies war zur selben Zeit ganz ohne Beschränkung möglich.
Die Quittung kam bald. In einer Protestaktion landete ein Gleitschirmflieger zum Spielbeginn im Stadion. Ultras demontierten in München wiederholt Werbebanner für die UEFA EURO 2020 und platzierten an öffentlichen Orten Parolen wie "Fuck UEFA! You're not welcome!“ und „Football for the people! Not for millionaires“. Da der Verband gut auf solche Ambush-Aktionen vorbereitet war, waren die Botschaften regelmäßig am frühen Morgen schon wieder übermalt. Das bewegte die Aktivisten dazu, ihr nächtliches Treiben zu filmen und ins Netz zu stellen. Selbstverständlich ging das Video viral.
Beim Finale gipfelte die Unzufriedenheit dann im unschönen Stadionsturm von London. Fazit? Wer wurde Europameister? Welches war das Abschiedsspiel von Jogi Löw? Hängengeblieben ist nur: Von Sommermärchen keine Spur. Dabei hätte alles so schön werden können. (Stadionwelt, 25.08.2021)