„Es wird alles versucht, Mitarbeiter zu halten“

Im Interview berichten Hans-Jörg Zech und Christina Michels, Gründer der Düsseldorfer Personalberatungsagentur THE SEARCH Sportmanagement, über die Folgen und Chancen der Corona-Krise im Personalbereich.

Die beiden Gründer von THE SEARCH: Hans-Jörg Zech und Christina Michels
Die beiden Gründer von THE SEARCH: Hans-Jörg Zech und Christina Michels Bild: THE SEARCH
Stadionwelt: Wie ist der Sport – vor allem in puncto Personal – aus Ihrer Sicht bislang durch die Corona-Krise gekommen? Welche liga- und sportartspezifischen Unterschiede sehen Sie hier?
Michels: Jeder Sport und jede Klasse hat eigene Probleme, für die jeweils individuelle Einzellösungen zu finden sind. Was im Moment natürlich alle Vereine im Sport eint, sind fehlende Einnahmen, die Gefahr der Fan-Entfremdung durch mangelnde Nähe und Verantwortung für die Weiterbeschäftigung ihrer Mitarbeiter. Was sie unterscheidet ist, wie sie damit in der Krise umgehen. Auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht, als ob Vereine im Fußball, vor allem die der ersten beiden Ligen, vergleichsweise gut oder besser als andere Sportarten bzw. Klassen durch die Pandemie kommen, insofern auch das Personal „sicherer ist“, greift diese Sicht aber zu kurz: Gerade im Fußball ist die Fallhöhe wesentlich ausgeprägter als in anderen Sportarten: Profi-Fußballclubs der ersten beiden Ligen haben nicht nur höhere Personal-, sondern auch enorme Overheadkosten, z. B. für Infrastruktur etc. Ihnen entgehen pro Spieltag vor leeren Tribünen im Schnitt mehrere Mio. Euro Einnahmen. Eine enorme Summe, die kompensiert werden muss. Bezogen auf das Thema Personal haben wir festgestellt, dass Sparmaßnahmen in diesem Bereich für Vereine die Ultima Ratio sind. Es wird alles versucht, Mitarbeiter zu halten. Allerdings wird auch kaum neues Personal eingestellt. Das ist zwar vernünftig, aber gerade in der Krise bieten sich Chancen, mit neuen Mitarbeitern innovative Wege zu gehen, um Post-Corona wieder voll durchzustarten. 
So handeln aber nur Vereine, die finanziell auf gesunden Füßen stehen, denn Corona wirkt auf die Branche wie ein Katalysator: Wer schon vor Corona gut gemanagt, schlank organisiert war und finanziell solide gewirtschaftet hat, der steht auch jetzt besser da als Vereine mit notorischer Geldnot und hohem Overhead. Für diese Clubs wird es eng und ich befürchte, dass es für einige ein „Abstieg auf Raten“ wird und sich auch Mitarbeiter nach neuen Jobs umsehen müssen.

Bereits zum siebten Mal veröffentlicht Stadionwelt in diesem Jahr das Special KARRIERE IM SPORTBUSINESS. Das e-Magazine informiert auf über 30 Seiten und ist nun kostenfrei online abrufbar.

Stadionwelt: Haben Sie Einblicke, welche Rolle Themen wie Kurzarbeit, Home Office oder etwa Einstellungsstopps oder Personal-Budgetkürzungen in den Proficlubs gespielt haben bzw. immer noch spielen?
Zech: Die aktuelle Situation sieht komplett anders aus als in den Vorjahren. Während bei den Vereinen, deren Ligazugehörigkeit bereits im Frühjahr feststand, geplante Parameter wie Personalplanung fest fixiert und in der Lizenzierung berücksichtigt waren, müssen Rechteinhaber, bei denen aktuell Kurzarbeit angemeldet ist, ihre eigentlichen Planungs-Ideen an rechtliche Rahmenbedingungen anpassen. Geplante Zugänge können i.d.R. nicht eingestellt werden, wenn Teilbereiche des Unternehmens/Vereins/Vermarkters nicht in Vollzeit arbeiten. Hier kommt das Fiasko der Vergangenheit zum Tragen, wo sich Geschäftsstellen mit teilweise dubiosen Positionen, Funktionen und Titeln künstlich aufgebläht haben und jetzt feststellen, dass da viel „heiße Luft“ implementiert wurde, während andererseits z. B. im Sales-Bereich Defizite herrschen und es momentan gerade besonders wichtig wäre, die Vertriebspower in der Krise weiter nach vorne zu bringen. Um einerseits nicht realisierte Sponsoring-Rechte bei Partnern zu kompensieren und andererseits neue Vermarktungsideen an potenziell neue Kunden zu verkaufen.
Und natürlich führt Home Office zu einer neuen gezwungenen Flexibilität der teilweise doch verkrusteten Strukturen und Denkweisen. Mit welcher Fristigkeit diese von modernen Unternehmen bereits eingesetzte Arbeitsform angenommen wird, zeigt die weitere Entwicklung. Aber perspektivisch wird es zu mehr Platz in den jeweiligen Büros und somit zu einer höheren Nachhaltigkeit führen.

Stadionwelt: Der Sport leidet sehr stark unter den Einschränkungen. Sehen Sie dennoch positive Aspekte bzw. auch Chancen, die diese Krise für den Profisport im Allgemeinen bietet – vielleicht langfristiger Natur?
Zech: Die Fokussierung auf das Wesentliche öffnet die Sichtweise so mancher Glaskästen. Die Annäherung der wirtschaftlich veränderten Situation führt zu einer inhaltlichen Kreativität in allen Bereichen, die ohne die Not der Krise nicht entstanden wäre. Und wenn man diese neuen Wege – Home Office, Digitalisierung, Kompensationsbereitschaft etc.. – in die zu erwartende Rückkehr der Normalität einbaut, gewinnen die, die jetzt die Krise als Chance erkannt haben und diese entsprechend auch in der Zukunft kontinuierlich anwenden.

Das Team von THE SEARCH
Das Team von THE SEARCH Bild: THE SEARCH
Stadionwelt: Was würden Sie Absolventen bzw. Arbeitssuchenden im Sport in der aktuellen Situation empfehlen? Wie bringt man sich trotz der schwierigen Situation in Position?
Michels: „Raus aus der Komfortzone und kopfüber in den Job“, das klingt abgedroschen und plakativ, beschreibt aber den Zustand, wie wir ihn von unseren Auftraggebern immer wieder hören. Ein Job in der Sportbranche ist für viele ein Traumjob: cool, im Rampenlicht, nah an Sport-Idolen oder Vorbildern, eben nicht ein „08/15-Job“.
Aus Erfahrung kann ich sagen, alles, was so leicht und locker wirkt, ist das Ergebnis von Disziplin und harter Arbeit. Das gilt für den Rasen oder den Tenniscourt genauso wie für alle anderen Bereiche von Unternehmen und Vereinen im Sport. Wer in die Sportbranche will, sollte wie ein Sportler maximal ambitioniert sein, beharrlich seine Ziele verfolgen und bereit sein, jeden Tag dazu zu lernen. Denn es geht immer noch etwas besser und etwas härter und gerade, wenn man gar keine Lust mehr hat und dann trotzdem noch ein bisschen weiter macht, das bringt einen persönlich weiter und führt letztlich zum Erfolg. Corona und seine wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Sportbranche haben eine Rückbesinnung hin zu mehr Leistung und weniger Ansprüchen beschleunigt. Oder, um es mit den Worten eines berühmten Politikers zu formulieren: „Frage nicht, was dein Unternehmen für dich tun kann, sondern frage dich, was du für dein Unternehmen tun kannst“.

Stadionwelt: Welche Positionen sind derzeit besonders gefragt? In welche Richtungen sollten sich Mitarbeiter – aber auch Arbeitssuchende – im Sport spezialisieren bzw. weiterbilden?
Zech: Kostensenkungen auf allen Zeitschienen von sofort bis langfristig sind sicher ein erster Schritt. Ein Reflektieren über Möglichkeiten, verlorenes Geld durch fehlende Zuschauer-, Sponsoren- und TV-Gelder auszugleichen, ist ein parallellaufender Prozess. Beides zusammen führt dazu, dass das Gap zwischen reduzierten Einnahmen bei gleichbleibenden Kosten verringert wird. Für die Kostenseite benötigt man ein starkes Führungsteam, um die Erlösseite zu erhöhen braucht es kommunikative, innovative und zuhörende Vertriebler. Aktuell kommt es nicht darauf an, dem Partner Leistungen einfach nur zu verkaufen. Vor dem Sales steht das Zuhören. Wer nicht die wirtschaftliche Situation und die Sorgen und Nöte des Kunden kennt und erst dann Lösungen anbietet, hat schon verloren. Ja, diese Aussage ist Corona-unabhängig und wird aus Sicht der Vertriebler natürlich immer angewendet, aber in der Realität ist das eher seltener der Fall. Wer seinem Gegenüber nicht „ehrlich“ zuhört und nur seine eigenen Themen durchsetzen will, hat schon verloren. Und leider sind diese empathischen Fähigkeiten heute bei so manchem (Jung-)Vertriebler (noch) nicht sonderlich ausgeprägt.

Stadionwelt: Wie hat sich der Prozess des Recruiting von Sportorganisationen in den letzten Monaten verändert? Welche Probleme aber auch Chancen sehen Sie hier?
Michels: Der Recruiting-Prozess ist insgesamt digitaler geworden, aber ich unterscheide zwischen Executive Search und Team-Level-Recruiting. Für beide Arten von Personalsuche gilt, dass die Anzahl der persönlichen Kontakte insgesamt weniger geworden ist und mehr vorab mittels Telefon oder Video-Konferenz geklärt wird als vor Corona. Trotz der Pandemie ist es uns sehr wichtig, dass das Mischungsverhältnis zwischen digitaler und face-to-face-Kommunikation weiterhin ausgewogen ist. Während bspw. die Suche nach Junior- bzw. Seniormitarbeitern auf Teamebene von unserer Seite verstärkt digital erfolgt, ist dies bei der Suche nach Top-Führungskräften deutlich weniger ausgeprägt. Bei der Executive Search ist für uns das persönliche Kennenlernen und direkte Gespräch ausschlaggebend und der wichtigste Schritt für unsere Kandidatenempfehlung. Nur face-to-face bekommen wir einen echten Eindruck von unserem potenziellen Kandidaten, können auf Gestik und Mimik achten und spüren, „ob die Chemie stimmt“. Das ist, neben unserem Netzwerk, unser wesentliches Asset, mit unserer Erfahrung die besten Kandidaten für unseren Auftraggeber herauszufiltern. Hier zeigen sich die Grenzen digitaler Bewerbungsgespräche, denn sie bieten Kandidaten eher die Chance, sich „zu verstecken“ und die interpersonelle Kommunikation bleibt auf der Strecke. Positiv ist, dass durch die derzeitigen Kontakt- und Reisebeschränkungen Geschäftsreisen abgenommen und Reisekosten eingespart wurden. Indirekt ist die Personalsuche dadurch „grüner, weil ressourcenschonender“ geworden. Und trotzdem präsentieren wir unseren Kunden in den finalen Runden nur Kandidaten, denen wir Old School gegenübersaßen.

Hans-Jörg Zech
Hans-Jörg Zech Bild: THE SEARCH
Stadionwelt: Welche Expertise bringen Sie als spezialisierte Personalberatung – gerade in der aktuellen Situation – für Ihre Kunden ein? Wie unterstützen Sie aktuell, aber auch generell?
Michels: Ganz klar unser Netzwerk. Wie gesagt, suchen unsere Kunden aus der Sportbranche fast ausschließlich Mitarbeiter für den Sales-Bereich, mal abgesehen von Nachbesetzungen durch ungeplante Abgänge. Da wir nicht nur Executive Search machen, sondern auch Team-Level-Recruiting, können wir auch dieses Segment sehr gut besetzen.
Wir sind generell an langfristigen Partnerschaften interessiert, daher haben wir uns aktuell dazu entschieden, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten mit flexiblen Lösungsvorschlägen auf die Bedürfnisse unserer Kunden zuzugehen, um gemeinsame Lösungen zu finden.
Zech: Dadurch, dass wir jahrelang selbst in der Sportbranche gearbeitet haben, verstehen wir exakt die Anforderungen unserer Auftraggeber. Gleichzeitig sind die Kontakte zu wechselwilligen Hidden Heroes ausgesprochen tief und so entstehen Matchings ohne lange Warteschlangen und Reibungsverluste.
Generell wissen wir, dass wir uns noch immer in einer Wohlfühl-Oase befinden und so manche Aufschreie in der Branche teilweise übertrieben sind. Der Profisport erfährt eine Unterstützung von außen wie andere Unternehmen auch und findet nach innen nachhaltig tragbare Lösungen aus der Krise. Unsere pro bono Unterstützung richtet sich an den Amateur- und Breitensport. Im Rahmen unseres persönlichen Umfeldes bieten wir da Hilfen an, wo von außen nicht so viel ankommt: an der Basis des Sports bei den kleineren Vereinen und Sportlern! (Stadionwelt, 25.05.2021)

Weitere News - THE SEARCH Sportmanagement GmbH

Bildungspartner-News

„Am Thema Digitalisierung kommt keiner vorbei“

Im Interview berichten Hans-Jörg Zech und Christina Michels, Gründer der Düsseldorfer Personalberatungsagentur THE SEARCH Sportmanagement, über die Folgen und Chancen der Corona-Krise im Personalbereich. mehr

Karriere / PersonalStadionwelt+

„Anspruch und Wirklichkeit noch immer weit auseinander“

Im Interview mit Stadionwelt spricht Christina Michels, Geschäftsführende Gesellschafterin von THE SEARCH Sportmanagement, über Diversität und Geschlechter-Gleichgewicht in Führungspositionen in der Sportbranche.   mehr

Karriere / Personal

„Die Extra-Meile gehen, wenn andere stehen bleiben“

THE SEARCH Sportmanagement wurde 2019 in Düsseldorf von Hans-Jörg Zech und Christina Michels als Personalberatung mit Fokus auf den Sport gegründet. Im Interview berichten die beiden über Einstieg und Weiterbildung im Sportbusiness sowie die Folgen der Corona-Krise. mehr

Weitere News - Bildungspartner-News

Bildungspartner-News

Willems will’s wissen: Super-Sportjahr 2024 – und dann?

Benjamin Willems, Bildungsexperte der IST-Hochschule für Management, beleuchtet in seiner Kolumne verschiedene Fragestellungen rund ums Sportbusiness. Diesmal geht es um die Professionalisierung der Trainerausbildung. mehr

Bildungspartner-News

Zwischen Vorlesungen und die Bayern schlagen

Der 1. FC Saarbrücken überraschte im DFB-Pokal. Julian Günther-Schmidt und Sebastian Jacob sprachen im Interview mit der IST-Hochschule über die Erfolge, über die Chancen im Viertelfinale und ihr Fernstudium. mehr

Bildungspartner-News

Sportmanagement-Studium als zweiter Karriereweg für Ex-Profi

Der ehemalige Schweizer Nationalspieler Admir Mehmedi hat sein Studium an der ESM-ACADEMY abgeschlossen. Er ermöglicht sich damit den nahtlosen Übergang vom Profisport in die zweite Karriere des Sportmanagements. mehr

Weitere News - Karriere / Personal

Karriere / Personal

Beschallungsunternehmen holt neuen Technical Director

dBTechnologies Deutschland setzt seine strategische Neuausrichtung fort und hat Jochen Gotzen zum Technical Director ernannt. Nach der Tätigkeit als Produktmanager / Application Engineer tritt er nun seine neue Position an. mehr

Karriere / Personal

Ticker: Personality im Sport- & Venue-Business

Der Arbeitsmarkt ist stets in Bewegung – das gilt auch für die Sport- und Venue-Branche. Stadionwelt informiert regelmäßig über Jobwechsel bei Clubs, Venues und in der Industrie. Aktuell: Vorstand VSSA, Führungsebene FCK, Geschäftsführer BVB. mehr

Karriere / Personal

VSSA wählt neuen Vorstand

Der Verein Schweizer Stadion- und Arenabetreiber (VSSA) hat einen neuen Vorstand gewählt. Nach Abtritt des Gründungspräsidenten, Felix Frei, wird ab sofort Philipp Musshafen, CEO der AG Hallenstadion, die Geschicke des Vereins leiten. mehr