„Wir finden hier optimale technische Bedingungen vor“

An der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Medien Offenburg entsteht zurzeit ein einzigartiges Forschungslabor in Zusammenarbeit mit Conica. Das „Advanced Motion Lab“ untersucht im Bereich der Sport- und Bewegungsmechanik die Faktoren, die dazu beitragen, dass Athletinnen und Athleten besser performen – und sich gleichzeitig weniger verletzen. Geleitet wird das Projekt von Professor Dr. Steffen Willwacher, der seit Jahren wegweisende Forschungen im Bereich von Bewegungsabläufen betreibt und dabei bereits mit Spitzensportlern wie den Olympiasiegern Usain Bolt und Markus Rehm zusammengearbeitet hat.

Prof. Dr. Steffen Willwacher ist spezialisiert auf Sport- und Bewegungsmechanik.
Prof. Dr. Steffen Willwacher ist spezialisiert auf Sport- und Bewegungsmechanik. Bild: Prof. Dr. Steffen Willwacher
Stadionwelt: Seit dem Wintersemester 2020/21 forschen und lehren Sie an der Universität Offenburg im Studiengang Biomechanik. Womit beschäftigen Sie sich genau?
Willwacher: Mein spezielles Aufgabengebiet ist die Sport- und Bewegungsmechanik. Dabei liegt mein Fokus in der Analyse von Bewegungsabläufen sowie den dabei entstehenden Belastungen von biologischen Strukturen (z.B. Muskeln und Knochen). Wir stellen uns zum Beispiel die Frage, warum ich den Speer nicht genau so weit werfen kann wie der deutsche Rekordhalter Johannes Vetter, obwohl wir gleich groß sind. Diese und ähnliche Fragen beschäftigen Sport- und Bewegungsbiomechanikerinnen und -mechaniker.

Stadionwelt: Was versprechen Sie sich als Wissenschaftler von dem neuen Labor in Offenburg?
Willwacher: Sehr viel. Wir betreiben Forschung zur Interaktion von Menschen mit Umgebungsbedingungen. Wie beeinflussen verschiedene Eigenschaften der Umgebungen – zum Beispiel der Boden – die Art, in der Menschen Kraft erzeugen? Der Mehrwert ist hierbei die Entwicklung eines besseren Verständnisses, um die Verbesserung der sportlichen Leistung zu ermöglichen, aber gleichzeitig auch das Verletzungsrisiko zu minimieren.

Stadionwelt: Was den Boden betrifft, arbeiten Sie in dem Labor mit dem Schweizer Laufbahnspezialisten Conica zusammen. Worum geht es dabei?
Willwacher: In dem ‚Advanced Motion Lab‘ befindet sich ein größerer Bereich: das ‚Conica Track Testing Labor‘. Die Laufbahn dort ist 60m lang. Das erlaubt einen Sprint in voller Geschwindigkeit. Um an Disziplinen wie Speerwurf forschen zu können, können wir Netze aufbauen lassen, die speziell präparierte Speere und Bälle auffangen. Für die weiteren Disziplinen wie Hoch- und Weitsprung sind Matten vorhanden, um die Sprünge abzufangen. Alle Bewegungen und Versuche werden hierbei von vielen hoch präzisen Kameras verfolgt. Die technische Ausstattung des Labors gehört weltweit zu dem Besten, was es gibt. Dass man sich dazu noch spezifisch auf Sportbodenforschung spezialisiert, macht das Projekt einzigartig.

Die technische Ausstattung des Labors gehört weltweit zu dem Besten, was es gibt.

Wir finden hier optimale technische Bedingungen vor, insbesondere um sportliche Bewegung von Menschen auf verschiedenen Untergründen zu erforschen. Das geht natürlich stark in Richtung Hochleistungssport, mit dem wir uns fokussiert auseinandersetzen werden. In Zukunft möchten wir aber auch an Böden für Schulen oder Freizeiteinrichtungen forschen sowie an der Nachhaltigkeit der Laufbahnen arbeiten.

Das Advanced Motion Lab mit dem Conica Track Testing Labor an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Medien Offenburg.
Das Advanced Motion Lab mit dem Conica Track Testing Labor an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Medien Offenburg. Bild: Conica AG

Stadionwelt: Wie gewinnen Sie Ihre Erkenntnisse?
Willwacher: Wir ziehen unsere Erkenntnisse aus drei Quellen. Zum einen können wir durch hervorragende Methoden untersuchen, wie Menschen sich auf verschiedenen Leichtathletikböden bewegen und welche Belastungen dabei auf ihren Körper wirken. Hierbei kommen 3D-Motion-Capturing-Verfahren zum Einsatz. Gleichzeitig haben wir in den Boden eingelassene Kraftmessplatten, um die Kräfte zu messen, die zwischen Fuß und Boden ausgetauscht werden. Mit diesen beiden Informationsquellen kann man in den Körper hineinrechnen und erfahren, an welchem Gelenk zu welchem Zeitpunkt wieviel Energie erzeugt oder absorbiert wird. Das hilft uns auch, das Verletzungsrisiko besser einschätzen zu können.

Der zweite Punkt ist das direkte Feedback der Testpersonen. Die Sensorik und Bewegungserfahrung von Hochleistungssportlern ist eine sehr wichtige Informationsquelle. Sie gibt uns Aufschluss darüber, wie sich die Produkte anfühlen.

Im dritten Punkt arbeiten wir an einer Entwicklung von Prüfständen. Hier entwickeln wir gerade eine Maschine, die die Bewegung und Kraft zwischen Fuß und Boden simuliert. Das hat den Vorteil, dass eine Maschine Bewegungen sehr gut wiederholen kann – bei Menschen wäre die Varianz zwischen den Versuchen für ein exaktes Ergebnis zu groß. Außerdem zeigen Maschinen keine Ermüdungserscheinungen wie Menschen.

Stadionwelt: Geht es hierbei auch um verschiedene Böden für unterschiedliche Sportarten?
Willwacher: Auch das ist ein Thema, mit dem wir uns im Rahmen unserer Forschung auseinandersetzen. Würde man versuchen, für jede Disziplin einen optimalen Boden zu entwickeln, wären diese Böden sehr wahrscheinlich unterschiedlich. Ein Teil unserer Forschung beschäftigt sich daher mit der Frage, ob die Entwicklung von unterschiedlichen Böden für verschiedene sportliche Disziplinen aus Performance- und Verletzungsrisiko-Gründen sinnvoller ist als die Weiterentwicklung des derzeitig genutzten ‚Kompromissbodens‘. (Stadionwelt, 09.12.2022)

Zum Hintergrund

Prof. Dr. Steffen Willwacher wechselte zum Wintersemester 2020/21 von der Deutschen Sporthochschule Köln an die Hochschule für Technik, Wirtschaft und Medien Offenburg und übernahm dort die Professur für Biomechanik und Grundlagen der Ingenieurswissenschaften. Der Studiengang wurde dabei um den Schwerpunkt Sport- und Bewegungsbiomechanik erweitert. Prof. Dr. Willwacher gewann für seine Forschungsarbeiten bereits international anerkannte Preise. Dazu gehörte unter anderem 2018 der „Hans Gros Emerging Researcher Award“ der International Society of Biomechanics in Sports. Er war selbst Zehnkämpfer und Dritter bei den U20-Europameisterschaften 2003 sowie deutscher U23-Meister 2006. Er hatte in seiner sportlichen Karriere immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen. Auch das war eine Motivation für seine Forschungen im Bereich Gehen, Laufen und Sprinten.

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