„Die Verantwortung für den Betrieb ist nicht zu unterschätzen“

Peter Lautenschlager, 1. Vorsitzender des VDEM – Verein der Eismeister e. V., im Gespräch über den Beruf, der rund um den Betrieb von Eissportanlagen praktiziert wird und dabei unter anderem noch Potenzial für eine höhere Einstufung hat.

Peter Lautenschlager
Peter Lautenschlager Bild: VDEM
Stadionwelt: Was muss ein Eismeister können?
Lautenschlager: Da „Eismeister“ kein geschützter Beruf ist, wir aber mittlerweile eine anerkannte Fortbildung etablieren konnten (Anm: siehe Artikel in Stadionwelt INSIDE 4/2021)) sprechen wir also weiter nicht mehr vom Eismeister, sondern von der „zertifizierten Fachkraft für Eissportanlagen“. Diese Fachkraft ist in den meisten Eissportanlagen das sogenannte „Mädchen für alles“. Dabei ist natürlich die Pflege und Betreuung des Sportbodens Eis die Kernaufgabe. Aber nicht nur das Eis gehört zum Aufgabengebiet, sondern auch das Führen der Eisbereitungsmaschinen und der zugehörigen Zusatzeinrichtungen sowie Betreuungsaufgaben während des öffentlichen Eislaufes, bei Sport- und multifunktionalen Veranstaltungen. Ferner bedarf es Kenntnisse über das wirtschaftliche Betreiben der kältetechnischen Anlagen, das Verhalten bei Betriebsstörungen, die Bedienung und Steuern der haustechnischen Anlagen wie Heizung und Lüftung, usw. Es kommt hinzu das Aufzeichnen der Betriebszustände in den Anlagen, die Durchführung von Reparaturen kleinerer und mittlerer Art, besonders auf dem Maschinensektor, dann Reinigungsarbeiten, Erste-Hilfe-Leistungen bei Unfällen. All dies, um nur einen kleinen Abriss des Tätigkeitsfeldes zu liefern. Kurzum: Das Tätigkeitsfeld bewegt sich erfahrungsgemäß in einem weiten Spektrum vom Maschinisten/Haustechniker über den Schlittschuhschleifer bis zum Bühnenarbeiter.

Stadionwelt: Welcher Ausbildungsgang führt in den Beruf?
Lautenschlager: Eismeister ist kein geschützter Beruf und die Begrifflichkeit ,Meister‘ ist etwas irreführend. Diese Bezeichnung hat sich aus der Historie heraus so entwickelt. Ich persönlich habe mit dieser Benennung ein Problem.  In der Berufswelt wird der Meistertitel solchen Beschäftigten verliehen, die in der Regel eine mehrjährige Ausbildungszeit, mehrere Beschäftigungsjahre als Fachkraft, also Geselle, vorweisen und sich dann über eine teilweise monatelange Fortbildung zum Meister ihrer Berufssparte weiterbilden. Der Verein der Eismeister e.V. hat im Jahr 2013 in Zusammenarbeit mit der IAKS und der Handwerkskammer zu Köln eine Fortbildung entwickelt, die erstmals in der Geschichte der Kunsteisbahnen in Deutschland die Möglichkeit bietet, Beschäftigte auf den Eisbahnen qualifiziert zu schulen. Diese Ausbildung ist staatlich anerkannt und vom Innenministerium NRW zertifiziert. Der nach erfolgreich abgelegter Prüfung Titel lautet: zertifizierte Fachkraft für Eissportanlagen.

Bild: VDEM

Stadionwelt: Wie beurteilen Sie das Verhältnis von Anforderungen und Qualifikation in der Praxis deutscher Eisbahnen?
Lautenschlager: Grundsätzlich sind die Anforderungen in allen Eishallen gleich. Wir haben ja auch in allen Eishallen den gleichen Sportboden, nämlich das Eis. Die Qualität des Eises ist definiert über die Sportarten Eishockey, Eiskunstlauf, Eisstock, Curling, Eisschnelllauf und somit unabhängig davon, ob „nur“ Hobbymannschaften dem Eissport frönen oder die Eishalle einen DEL-Verein beherbergt. Ich behaupte: Oftmals sind die Anforderungen an den „Eismeister“ auf kleineren Eisbahnen höher. Muss er doch das gesamte technische Portfolio des Hauses mit allen Anlagen betreuen und bedienen. In großen Stadien liegt die Betreuung der Haustechnik meist in Händen von eigenen Abteilungen, und der Eismeister kann sich somit ausschließlich um das Eis und die dafür benötigte Technik und die Maschinen kümmern. Und nicht zu vergessen sind die Spezialisten auf den Freieisbahnen die mit ganz besonderem Können und Wissen den Kampf gegen das Wetter führen müssen und auf den Bobbahnen wo die Eisbereitung sehr viel Erfahrung benötigt.

Mehr zum Thema finden Sie in der Ausgabe 4/2021 des Fachmagazins Stadionwelt INSIDE im Artikel „Deutschland, deine Eismeister“. Stadionwelt hat Daten zu jenen Fachleuten erhoben, die Spieltag für Spieltag die Kunsteisbahnen für die Spiele in DEL und DEL2 aufbereiten – und noch einiges mehr erledigen. In Teil 1 der Reihe über Eismeister geht es um die Rahmenbedingungen des Jobs, die Anforderungen und Ausbildung. Hier geht es direkt zum eBook.

Stadionwelt: Welche Rolle nimmt der Lehrgang in dieser Situation ein?
Lautenschlager: Die einzigartige zertifizierte Fortbildung zur Fachkraft für Eissportanlagen vermittelt den Teilnehmern das Aufgabengebiet für ihren Job. Diese Fachkräfte besitzen alle notwendigen Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen, um in Eissportanlagen unterschiedlicher Art und Größe eine qualifizierte Erstellung und Pflege des Sportbodens Eis für die diversen Sportarten durchzuführen, für einen nachhaltigen, energieeffizienten Betrieb der Anlage zu sorgen und Betreiberpflichten zu übernehmen. Außerdem sind sie in der Lage, je nach Weisung des Betreibers alle notwendigen, grundlegenden (haus)-technischen und sicherheitsrelevanten Tätigkeiten, Anwendungen und Notwendigkeiten zur bestimmungsgemäßen und sicheren Nutzung der Kunsteisflächen sowie der Veranstaltungsstätte im Allgemeinen zu kennen, zu erkennen, zu beurteilen und durchzuführen. Details hierzu haben wir auf www.vdem.de zusammengestellt. In der überarbeiteten TRAS 110, also den technischen Regeln für Anlagensicherheit, wurden genau die Lehrgangsinhalte als Vorgabe erwähnt, die mindestens ein Beschäftigter an jeder Kunsteisbahn haben sollte.

Blick auf die komplexe Technik.
Blick auf die komplexe Technik. Bild: VDEM

Stadionwelt: Inwiefern wird es kritisch, wo es an der Ausbildung mangelt?
Lautenschlager: Durch die Fortbildung gibt es schon einige Fachkräfte an den Eisbahnen. In diesen Anlagen ist dies eine gute Basis für einen wirtschaftlichen und sicheren Betrieb. Aber es gibt auch noch Eisbahnen, an denen dies nicht so ist und das fehlende Fachwissen durchaus skeptisch zu sehen ist. Die Verantwortung für den Betrieb ist nicht zu unterschätzen. Ich denke da zum Beispiel an die bis zu mehreren Tonnen Ammoniak. Richtige Handlungsweisen im Notfall sind hier entscheidend. Ebenfalls müssen die Mitarbeiter Sicherheit haben im Umgang mit vielen hundert Besuchern, die sich in der Anlage gleichzeitig aufhalten. Der Mitarbeiter vor Ort ist meist der verantwortliche Vertreter des Betreibers. Die Übertragung der Betreiberverantwortung auf ihn wird meist in der Stellenbeschreibung geregelt.

Stadionwelt: Wird diese Stelle hoch genug bewertet?
Lautenschlager: Da gibt es durchaus Defizite. Meist sind die Eisbahnen in kommunaler Hand, und die Bezahlung erfolgt nach den hierfür geltenden Tarifverträgen. Meist ist dies der TVöD. Das Problem ist, dass es in keiner Tariftabelle die Begrifflichkeit „Eismeister“ oder „Fachkraft für Eissportanlagen“ gibt. Zum Beispiel den Hausmeister gibt es aber. Es ist nicht selten, dass ein Hausmeister für eine Grundschule besser eingruppiert ist als der Eismeister in einem Eisstadion mit 5.000 Besucherplätzen und 3 Tonnen Ammoniak im Keller, der auch noch Bereitschaftsdienst absolvieren muss. Da geht das Thema Verantwortung und Entlohnung schon weit auseinander.

„Der Markt ist leer“

Stadionwelt: Und wie sieht es auf dem Stellenmarkt aus?
Lautenschlager: Der Markt ist leer. Mit dem diesjährigen Kurs und der wertvollen Unterstützung unserer Fachreferenten haben wir mittlerweile 110 Fachkräfte ausgebildet. Teilweise gibt es Eisbahnen, die schon 3 bis 4 Fachkräfte beschäftigen bzw. diese haben ausbilden lassen. Auf dem freien Markt ist hier praktisch nichts verfügbar. Verschärft wird die Lage durch den Umstand, dass schon seit einigen Jahren das Handwerk immer weniger Auszubildende hat. Eine handwerkliche Ausbildung wäre aber die optimale Voraussetzung für den Einstieg zur Arbeit an einer Eisbahn. Dies wird sich in den nächsten Jahren noch weiter verschärfen. Umso wichtiger wäre es, den Beschäftigten einer der Verantwortung leistungsgerechte Entlohnung zukommen zu lassen.

Stadionwelt: Wie gut funktioniert die Arbeit der Eismeister in Deutschland im Großen und Ganzen? Gibt es in einigen Punkten dringenden Handlungsbedarf?
Lautenschlager:
Ich gehe davon aus, dass jeder „Eismeister“ seinen Job ernst nimmt und so gut wie möglich macht. Eine sehr positive Entwicklung, die wir wahrnehmen, ist, dass sich die Beschäftigten auf den Eisbahnen mittlerweile gut vernetzen und sich untereinander austauschen. Dies war nicht immer so. Galt doch „gutes Eis“ als das Geheimnis eines jeden „Eismeisters“, das unter den Deckmantel des Schweigens gesteckt wurde. Einen großen Anteil an dieser Entwicklung hat sicherlich auch der VDEM e.V. und insbesondere die Fortbildung zur Fachkraft. Aber auch die regelmäßigen Management- und Eismeistertagungen der IAKS tragen hierzu bei. Wir arbeiten daran, diesen Beruf aus der Nische weiter in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Nur so lassen sich die oben beschriebenen Defizite nachhaltig beseitigen. Es wäre sehr wichtig, an allen Eisbahnen wirklich qualifiziertes Personal zu haben. Es gibt durchaus noch Anlagen, die mit Hilfskräften betrieben werden oder mit Personal, das im Sommer in anderen Bereichen tätig ist und dann im Winter quasi mal so nebenbei die hoch komplexe Anlage Eisbahn bespielen sollen. Das sollte aufhören.

Stadionwelt: Was sind die Besonderheiten für Eismeister in DEL- und DEL2-Arenen?
Lautenschlager: Richtige Besonderheiten, die speziell für die DEL und DEL2 gelten, sind mir nicht bekannt. Meist sind das in diesen Spielklassen die größeren Stadien, in denen sich die Eismeister auf den Sportboden Eis konzentrieren können, weil die restliche Haustechnik von anderen Abteilungen erledigt wird. Was nicht unbedingt heißen muss, dass in anderen Eisbahnen schlechteres Eis ist. Im Gegenteil!

Moderne Eistechnik erfordert Handwerk, aber auch Verständnis für die Steuerung von Systemen.
Moderne Eistechnik erfordert Handwerk, aber auch Verständnis für die Steuerung von Systemen. Bild: VDEM

Stadionwelt: Sehen Sie Unterschiede, wo die Spielstätten in privater Hand liegen und allein dem Profi-Geschäft gewidmet sind?
Lautenschlager: Ja. Wie vorher schon erwähnt. In den großen Multifunktionsarenen spielt das Thema Eis nur einmal die Woche eine große Rolle. Nämlich zum Spiel. Hier eine gute Eisqualität zu haben, wenn die Eisfläche die Tage zuvor abgedeckt war, ist schon eine Herausforderung und da ist großes Können gefragt. In privater Hand sind ja die wenigsten. Meist beteiligt sich die öffentliche Hand an den Betriebskosten, um auch der Allgemeinheit das Eis zugänglich zu machen.

Stadionwelt: Welche Punkte stehen vorrangig auf der Agenda des VDEM?
Lautenschlager: Es hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan. Mit der Fortbildung zur Fachkraft für Eissportanlagen ist ein erster großer Wurf mit der Forderung, diese in der TRAS 110 aufzunehmen, gelungen. Dies weiter zu vertiefen, ist unser Anspruch. Wenn es gelingt, für die Wichtigkeit und die Größe der Verantwortung in dieser Berufssparte weiterhin zu sensibilisieren, haben wir viel erreicht. Eine gerechte Entlohnung wird sich dann hoffentlich von selbst ergeben. Selbstredend sehen wir uns als Ansprechpartner für alle Beschäftigten an den Eisbahnen unabhängig davon, ob diese Mitglieder sind oder nicht. Wir bekommen immer wieder Anfragen, meist technischer Natur, oder auch nur, wenn jemand persönlichen Rat für seine Tätigkeit braucht. Wir freuen uns auf jede Anfrage. Wenn wir nicht gleich eine Antwort parat haben, nutzen wir unser gutes Netzwerk in der Fachbranche, um Antworten zu finden. Und wenn am Ende unsere Arbeit überzeugt hat, freut es uns so mehr, wenn dies durch eine Mitgliedschaft unterstützt wird. Wir arbeiten im Verein ja alle ehrenamtlich! (Stadionwelt, 29.10.2021)

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