„Die Nachfrage läuft langsam wieder an“

Im Interview spricht Philipp Weimann-Kaelble, Bereichsleiter Veranstaltungen und Spielbetrieb bei der VfB Stuttgart 1893 AG, unter anderem über das entwickelte Hygienekonzept, die Umsetzung und die Zeit nach Corona.

Philipp Weimann-Kaelble
Philipp Weimann-Kaelble

Stadionwelt: Nach langer Pause kann die Mercedes-Benz Arena Stuttgart sowohl für Business- als auch Privat-Veranstaltungen wieder genutzt werden. Grundlage dafür ist ein Maßnahmenpaket und Hygiene-Konzept. Können Sie das Konzept bitte erläutern?
Weimann-Kaelble: Im Grunde basiert das Konzept auf einer Mischung aus der jeweils aktuellen Fassung der Corona-Verordnung des Landes BW, unseren Erfahrungen aus dem Sonderspielbetrieb der vergangenen Saison und den Vorgaben an die Gastronomie in Sachen Hygienemaßnahmen.

Vor allem die Erfahrungen aus dem Fußballbetrieb haben uns geholfen, hier sehr schnell ein tragfähiges, aber auch umsetzbares Konzept zu entwickeln. Es geht ja nicht nur um das Aufschreiben reiner Maßnahmen, sondern am Ende muss die Umsetzung und die Kontrolle der Einhaltung des gesamten Paketes passen. Zudem muss es für die Kunden und Mitarbeiter nachvollziehbar und sinnvoll sein. Denn nur wenn alle an einem Strang ziehen, kann der Schutz und die Gesundheit aller Beteiligten bestmöglich gewährleistet werden.

Die Mercedes-Benz Arena Stuttgart
Die Mercedes-Benz Arena Stuttgart Bild: Daniel Stauch

Stadionwelt: Wie zeitaufwendig war die Entwicklung und was waren die größten Herausforderungen?
Weimann-Kaelble: Wie gesagt, unsere Erfahrungen der vergangenen Wochen haben uns sehr geholfen und so war das Konzept, auch in Abstimmung mit unserem Gastronomie Partner ARAMARK, nach knapp einer Woche zu Papier gebracht. Die für uns zuständige Behörde, das Amt für öffentliche Ordnung der Stadt Stuttgart, die sich wiederum mit dem zuständigen Gesundheitsamt abstimmt, hat dann innerhalb 24 Stunden grünes Licht gegeben.

Die Räumlichkeiten können sowohl für Business- als auch Privat-Veranstaltungen wieder genutzt werden.
Die Räumlichkeiten können sowohl für Business- als auch Privat-Veranstaltungen wieder genutzt werden. Bild: Daniel Stauch

Stadionwelt: Hat das Hygienekonzept Auswirkungen auf die Preisgestaltung?
Weimann-Kaelble: Trotz Umsatzausfall der vergangenen Monate haben wir unsere Preisgestaltung nicht nach oben angepasst. Wir sind froh wieder am Start zu sein und unsere Veranstaltungskunden in den Räumen der Mercedes-Benz Arena begrüßen zu dürfen. Als „First-in Last-out“-Branche wurde die Veranstaltungswirtschaft stark von der Pandemie getroffen und wir möchten zu einer baldigen Erholung beitragen.

Nichtsdestotrotz kann aber die eine oder andere Zusatzmaßnahme Geld kosten. So bieten wir gegen Aufpreis zum Beispiel eine kontaktlose Körpertemperaturmessung für unsere Kunden an. Hier entstehen die Zusatzkosten aber eher für das Fachpersonal, als für die zur Verfügung gestellte Technik. Aber bei unserem Standard-Angebot haben wir die Preise nicht verändert.

Stadionwelt: Mit welchem Personalaufwand rechnen Sie im Hinblick auf die Umsetzung? Wie schützen Sie Ihr Personal?
Weimann-Kaelble: Zunächst benötigen wir kein zusätzliches Personal für die Organisation und Umsetzung der Veranstaltungen. Lediglich wenn Zusatzmaßnahmen oder Sonderwünsche der Kunden an uns herangetragen werden, müssen wir dies ggf. mit zusätzlichem Personal auffangen. Das ist aber Standard.

Alle Mitarbeiter, die an der Umsetzung der Events mitwirken, unterziehen sich einer umfangreichen Hygieneunterweisung, arbeiten mit Mund-Nasenschutz und, z.B. im Catering-Bereich, auch mit Einmalhandschuhen, um nur einige Maßnahmen zu nennen. Dies dient dem Schutz der Mitarbeiter, aber auch dem Schutz der Kunden. Um all dies mit der notwendigen Sachkenntnis auch organisieren und kontrollieren zu können, haben wir extra zwei Mitarbeiter im Bereich Infektionsschutz und Hygienekonzepte fortbilden lassen.

Die Ehrenloge
Die Ehrenloge Bild: VfB Stuttgart Arena Betriebs GmbH

Stadionwelt: Wie viele Ständer mit Handdesinfektionsmittel wurden insgesamt installiert? Wann und wie oft werden Räume und Oberflächen desinfiziert?
Weimann-Kaelble: Insgesamt haben wir indoor ca. 40 mobile Ständer mit Desinfektionsspendern die wir, je nach Bedarf, an den zentralen Stellen der Veranstaltungsräume einsetzen können. Die Reinigung und Desinfektion der Räume, Oberflächen, Veranstaltungstechnik, etc. erfolgt nach einem genauen Reinigungsplan und findet z.B. auch in den Veranstaltungspausen oder bei Rednerwechseln statt.

Stadionwelt: Sollte es tatsächlich einmal zu einem Corona-Fall bei einer Ihrer Veranstaltungen kommen, wie lösen Sie die Zurückverfolgung?
Weimann-Kaelble: Wie aktuell auch in der Gastronomie findet keine Veranstaltung ohne Registration der Kunden und Gäste bei uns statt. Dies erfolgt zum einen über das Guest-Management der Kunden, aber auch über unseren Check-in vor Ort, um auf spontane Änderungen auf der Gästeliste reagieren zu können. Die Daten werden jedoch nicht gespeichert, sondern nach Ablauf von spätestens vier Wochen wieder gelöscht.

Stadionwelt: In welchen Punkten unterscheidet sich das Konzept vom Zustand vor der Corona-Pandemie?
Weimann-Kaelble: Natürlich sind die gesamten Hygienemaßnahmen (hauptsächlich die Mindestabstände) vor der Pandemie kein Standard gewesen, auch wenn wir immer großen Wert auf die Sauberkeit unserer Räume und unseres Equipments legen. Der größte Unterschied ist jedoch sicher, dass in der aktuellen Situation der Kontakt, der direkte Austausch, ein Get-Together, der Small Talk in den Pausen, das Networking und all die Themen, bei denen Menschen direkt zusammenkommen, nicht in gewohntem Maße stattfinden können, sondern eben mit dem geltenden Mindestabstand. Dies beginnt schon bei der Anreise, geht über die Registrierung, die Laufwege, die Pausensituationen und am Ende die Veranstaltung selber.

Die Setups können ja nach Bedarf und den geltenden Abstandsregeln angepasst werden.
Die Setups können ja nach Bedarf und den geltenden Abstandsregeln angepasst werden. Bild: Daniel Stauch

Stadionwelt: Wie haben sich die Kapazitäten und das Raumangebot verändert?
Weimann-Kaelble: Um die Abstandsregeln einhalten zu können und auch die Laufwege entsprechend zu organisieren gibt es schon beträchtliche Einschränkungen bei den Raumkapazitäten. Teilweise liegen wir bei ca. 70% geringerer Kapazität im Vergleich zum Normalbetrieb. Aber gerade hier zeigt sich auch der Vorteil der Mercedes-Benz Arena als Veranstaltungsstätte mit über 8.000 qm Platzangebot.

Durch unsere großzügigen Räume können wir auch in Corona-Zeiten vielfältige Setups ermöglichen und Veranstaltungen auch auf mehrere Räume aufteilen. Dies bietet sich z.B. in den Pausen an oder für das Arbeiten in Kleingruppen. Ebenso können wir auf unsere zahlreichen Außenflächen zurückgreifen und Teile der Veranstaltung dorthin verlagern (z.B. ein Mittagessen auf der Dachterrasse oder die Keynote-Speach auf der Tribüne mit 100% Arena-Ambiente).

Stadionwelt: Gab es bauliche Veränderungen, die umgesetzt werden mussten? Mit welchem Zeitaufwand und welchen Kosten waren die notwendigen Umbaumaßnahmen verbunden?
Weimann-Kaelble: Wirklich baulich mussten wir keine Veränderungen vornehmen. Hier ging es eher um Zusatzequipment, wie z.B. Plexiglastrennwände bei der Registrierung oder beim Catering. Ein gutes Signage für die Wegeleitung der Besucher oder Abstandsmarkierungen bei Queuing-Situationen. Demnach waren auch die Kosten und der Zeitaufwand überschaubar und wir konnten auch hier viel vom Fußballspielbetrieb einfach übernehmen.

Stadionwelt: Wäre es sinnvoll Teile des Konzepts über die Corona-Pandemie hinaus zu berücksichtigen? Gibt es generell andere Aspekte, die Sie langfristig für sinnvoll erachten?
Weimann-Kaelble: Grundsätzlich glaube ich schon, dass die Pandemie das Veranstaltungsgewerbe, aber auch das Besucherverhalten verändern wird. Manche Hygienemaßnahmen könnten doch als Standard sinnvoll sein. Denken wir nur an die Grippe-Jahreszeit. Was spricht dagegen, die Gäste immer auf die Hygienestandards hinzuweisen, Desinfektionsmöglichkeiten anzubieten oder auf gewisse Abstände z.B. an Catering Stationen zu achten?

Bis zur UEFA EURO 2024 in Deutschland soll die Mercedes-Benz Arena umgebaut werden.
Bis zur UEFA EURO 2024 in Deutschland soll die Mercedes-Benz Arena umgebaut werden. Bild: Daniel Stauch

Eine ständige Abstandsregel, Mund-Nasenschutzpflicht oder gar eine verpflichtende App, um an einer Veranstaltung teilnehmen zu dürfen, sehe ich hingegen nicht. Dies würde allen Veranstaltungsformaten dauerhaft ihren Sinn und Anspruch rauben, nämlich, dass alle Menschen zusammenkommen und sich gemeinsam an Musik, Kunst, Kultur, Sport oder auch Business-Themen erfreuen und Emotionen teilen.

Stadionwelt: Wie hoch ist aktuell die Nachfrage nach Veranstaltungen in der Mercedes-Benz Arena? Wie schätzen Sie die Entwicklung in den kommenden Monaten ein?
Weimann-Kaelble:  Die Nachfrage läuft tatsächlich langsam wieder an. Zum einen von Kunden, die ihre bereits gebuchten und dann abgesagten Veranstaltungen der vergangenen vier Monate jetzt nachholen möchten, aber es gibt auch bereits Neuanfragen. Eine Entwicklung ist derzeit noch schwer vorauszusagen. Keiner weiß, wie sich z.B. die Ferien- und Reisezeit auf das Pandemiegeschehen auswirkt. Wenn die Lockerungen aber weitergeführt werden können wie bisher sind wir uns sicher, dass es einen guten Weg nehmen wird.

Wir freuen uns über jede Anfrage und erarbeiten zusammen mit den Kunden ein individuelles Konzept, damit ihre Veranstaltung auch in diesen doch außergewöhnlichen Zeiten ein voller Erfolg wird. Denn letztendlich geht es um die so wichtigen und wertvollen persönlichen Begegnungen, die durch Veranstaltungen ermöglicht werden. (Stadionwelt, 10.07.2020)

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