10 Jahre danach: Das Erbe der WM in Südafrika

Am 11. Juni 2010 begann in Johannesburg die erste Fußball-Weltmeisterschaft auf dem afrikanischen Kontinent. Was ist zehn Jahre später geblieben? Ist die WM als Erfolg oder Misserfolg zu werten?

„Es ist Zeit, Afrikas Menschlichkeit zu feiern“: Unter diesem Motto traf sich die Fußballwelt vor zehn Jahren in Südafrika. Erstmalig in der damals 80-jährigen Geschichte der FIFA-WM wurde der Weltmeister auf afrikanischem Boden ermittelt. Das Turnier blieb unter anderem wegen der Begeisterung der lokalen Bevölkerung in Erinnerung, die ihre Freude auch akustisch durch die Vuvuzelas unterstrichen.

Bereits 2006 wäre Südafrika beinahe Ausrichter geworden, Deutschland erhielt bei der Abstimmung aber eine Stimme mehr.  2010 durften sich nur afrikanische Nationen für die Ausrichtung bewerben, Südafrika setzte sich mit 14 der 24 Stimmen gegen Marokko und Ägypten durch.

Prof. Dr. Stephan Kaußen, Journalist, Politikwissenschaftler, Hochschuldozent und Experte für südafrikanische Zeitgeschichte und Politik, sagt heute zu dem Turnier: „2010 war die Chance für Südafrika und Afrika insgesamt: Erstmals ein wirkliches Großereignis auf dem Kontinent! Die WM hat ALLE stolz gemacht - und zwar zu Recht. Die WM hat super funktioniert, in praktisch jeder Beziehung. Auch dank der internationalen Unterstützung seitens FIFA, DFB und des Deutschen Entwicklungsministeriums BMZ“.

Um das Land infrastrukturell auf dieses Turnier vorzubereiten, wurden nicht nur die Flughäfen vergrößert sowie ein neues Eisenbahnnetz in Betrieb genommen, auch fünf neue Stadien wurden eigens für das Turnier errichtet. Alle weiteren erlebten vor dem Turnier große Modernisierungen.

Soccer City als Herz des Turniers – und als Erfolgsmodell

Das größte und zugleich wichtigste Stadion der WM 2010 war „Soccer City“, das mittlerweile im Rahmen eines Naming-Right-Deals FNB Stadium heißt. Hier fanden das Eröffnungsspiel, vier weitere Vorrundenspiele, ein Achtelfinale, ein Viertelfinale sowie das Endspiel statt. Das Design ist an das afrikanische Trinkgefäß Kalebasse angelehnt, der Umbau kostete 321 Mio. Euro.

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Nach dem Turnier war das Stadion ebenfalls Spielort der Afrikameisterschaft 2013. Die „Bafana Bafana“ spielt seither dort zahlreiche Länderspiele, Die Kaizer Chiefs nutzen das Stadion für die meisten ihrer Heimspiele. Dazu ist das Stadion eine beliebte Konzertlocation. Ed Sheeran spielte 2019 zwei Konzerte im FNB Stadium, insgesamt kamen zu beiden Auftritten 135.000 Zuschauer. Auch verschiedene Glaubensgemeinschaften haben das Stadion bereits gemietet und sechsstellige Zuschauerzahlen verbucht.

Fehlende Zukunftskonzepte bei Neubauten

Das FNB Stadium ist wohl das einzige wirkliche Erfolgskonzept, auch wenn die Heimspiele der Kaizer Chiefs das Stadion im Schnitt nur zu einem Viertel füllen. Die restlichen Neubauten mitsamt ihrer spektakulären Erscheinung schreiben auch heute noch rote Zahlen. Heute kritisieren viele, dass es bei der Errichtung dieser Stadien kein tragfähiges und wirtschaftliches Zukunftskonzept gegeben habe.

Eindrucksvoll, aber nicht rentabel: Das Cape Town Stadium schreibt weiter rote Zahlen.
Eindrucksvoll, aber nicht rentabel: Das Cape Town Stadium schreibt weiter rote Zahlen. Bild: Marc Brandenburg
Das Cape Town Stadium etwa kostete rund 500 Mio. Euro. Auch wenn das Stadion regelmäßig durch die beiden Fußballvereine Cape Town City FC und Ajax Cape Town sowie für Rugbyspiele genutzt wird und auch Konzerte regelmäßig ausgerichtet werden, die Stadt muss auch zehn Jahre danach den Stadionbetrieb mit rund 4 Mio. Euro bezuschussen. Die Betreibergesellschaft wird bis Februar 2021 aber rund 15 Mio. Euro investieren, um neue die aktuelle Anzahl an VIP-Logen zu verdreifachen. Dazu werden auf rund 3.500 m² Geschäftsräume entstehen. Auch ein Sponsor für das Naming Right wird weiterhin gesucht.

Ebenfalls in Erinnerung blieb das Moses Mabhida Stadium in Durban. Der markante Stahlbogen, der sich in 104 Metern Höhe über das Stadion spannt, sollte die Trennung und Versöhnung der Völker Südafrikas symbolisieren. Der Bogen ist begehbar, so wird Besuchern ein Panoramablick über den indischen Ozean ermöglicht. Den Bogen hinauf führt mittlerweile auch eine Bahn. Für rund 45 Euro kann man auch von einer Plattform aus durch das Stadion schaukeln. Dennoch rechnet sich das Stadion nicht und verzeichnet jährlich Verluste in Millionenhöhe. Die Ausrichtung der Commonwealth Games 2022, die 2015 nach Durban vergeben wurde, wurde aufgrund von Finanzierungsproblemen entzogen.

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Auslastungen sehr gering

Die neun Stadien des Turniers werden zwar auch zehn Jahre nach dem Turnier von Fußball- oder Rugbymannschaften genutzt, viele Plätze bleiben aber leer. Eine sportliche Auswirkung auf das Land hatte das Turnier auch nur bedingt, für die beiden darauffolgenden Turniere qualifizierte sich Südafrika nicht. Auch im Afrika-Cup konnte die „Bafana Bafana“ nicht an die Erfolge zwischen 1996 und 2000, als man 1., 2., und 3., wurde, anknüpfen.

Die nachhaltige Entwicklung blieb auch laut Stephan Kaußen aus: „Südafrika hat es nach der WM leider verpasst, die gelebte Kooperation nun auf andere, viel wichtigere Bereiche auszudehnen. Das war eine unfassbare Verschwendung! Die südafrikanische Regierung und Politik hat ziemlich arrogant gedacht, man könnte alles schon jetzt selbst. Das stimmt aber eben nicht. Nach Jahrzehnten der Apartheid mangelt es an vielen Stellen und in vielen Institutionen an Qualität und Erfahrung. Fakt ist: Die tolle WM war Gold wert - vom internationalen Image her. Unter ökonomischen und besonders sozialen Aspekten war sie aber auch eine vertane Chance.“

So werden auch die Spielstätten eher als „Weiße Elefanten“ in Erinnerung bleiben. Das FNB Stadium, das auch das größte Stadion des Kontinents ist, kann durchaus als Erfolgsmodell des Turniers angesehen werden. Die anderen Stadien konnten die teils hohen Kosten jedoch nicht rechtfertigen. (Stadionwelt, 11.06.2020)

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