Die Geschichte des Industriekletterns

Das Industrieklettern ist eine vergleichsweise junge Geschäftsbranche. Erste Einsätze von Arbeitern, die im Rahmen von Bauprojekten kletterten, sind ab 1879 dokumentiert. Bekannte Projekte aus dieser Zeit sind unter anderem die Bauarbeiten am Eiffelturm oder an der Forth Rail Bridge. Damals waren die Kletterer aber noch nicht gesichert, was als „Lattice Climbing“ bezeichnet wird. Die Ursprünge des Industriekletterns gehen auf die alpine Sicherungs- und Klettertechnik zurück.

Seit den 1930er Jahren kamen Seile als Sicherung zum Einsatz, beispielsweise beim Bau der Golden Gate Bridge (1933-1937) in San Francisco, wodurch die Mortalitätsrate bei diesem Bauprojekt deutlich unter dem Durchschnitt zu dieser Zeit lag. Bei der Errichtung des Hoover Dam (1931-1935) zählten die angeseilten Kletterer zu den bestbezahlten Arbeitern.

Das Industrieklettern im heutigen Sinne wurde in den 1970er Jahren in Großbritannien entwickelt, als Technik zur Wartung und Sanierung von Bohrinseln in der Nordsee. Zu dieser Zeit wuchs der Bedarf nach Arbeitern, die für Einsätze am Sicherungsseil ausgebildet waren, und aus sicherheitstechnischen Gründen wurde das Verfahren um ein zweites Seil ergänzt. Dies hatte auch zur Folge, dass in England mit der Industrial Rope Access Trade Association (IRATA) der erste Verband dieser Branche gegründet wurde.

Höhenarbeiter bei Sanierungsarbeiten am Dach der Mercedes-Benz-Arena.
Höhenarbeiter bei Sanierungsarbeiten am Dach der Mercedes-Benz-Arena. Bild: Stadion NeckarPark, J. Klopfer

Auch in der DDR kam die Nachfrage nach Industriekletterern auf, da die Plattenbauten gepflegt werden mussten, es aber an ohnehin kostspieligem Gerüstmaterial mangelte. Dabei kamen vor allem Bergsteiger zum Einsatz und dichteten beispielsweise die Fugen zwischen den Betonplatten ab. Die DDR erkannte die Industriekletterei staatlich an und erließ dafür eigene Regeln.

Nach der Wiedervereinigung stagniere die Entwicklung, da das Industrieklettern nicht von Unfallversicherungsträgern abgedeckt wurde. Im Jahr 1995 erhielten die Künstler Christo und Jeanne-Claude nach langen Verhandlungen die Genehmigung, mit 100 Kletterern das Reichstagsgebäude zu verhüllen. Infolgedessen definierten diese Kletterer alle Sicherheits- und Ausbildungsstandards und es gründete sich der Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken (FISAT).

Im Jahr 1997 gab dieser Verband Richtlinien zur Ausbildung und Arbeitssicherheit für seilunterstütztes Arbeiten heraus, was die Grundlage für alle Berufskletterer darstellt. Seitdem ist eine anerkannte Ausbildung im Industrieklettern möglich. Einen weiteren Meilenstein stellt das Jahr 2009 dar, als das Industrieklettern auf Gesetzesebene mit herkömmlichen Sicherungsmaßnahmen gleichgestellt wurde.

Der Fortschritt der Industriekletterei hat die Architektur von Fußballstadien maßgeblich beeinflusst. Besonders bei ausgefallenen Dachkonstruktionen ist der Einsatz von gesicherten Höhenarbeitern essentiell, ohne die beispielsweise an eine Bestückung der Allianz Arena mit der charakteristischen Membranhülle auf einer Fläche von 66.000 Quadratmetern nicht zu denken gewesen wäre. (Stadionwelt, 22.04.2020)

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