„Arenen sind Bestandteil des öffentlichen Lebens“

Im Interview sprechen Sebastian Kurczynski, Head of Consulting DACH bei NIELSEN Sports, und Arne Sebastian Fritz, Head of Sports & Entertainment bei Drees & Sommer, den Status quo der deutschen Arena-Landschaft.

Arne Sebastian Fritz
Arne Sebastian Fritz Bild: Drees & Sommer
Stadionwelt: Wie haben sich Arenen in den letzten Jahren verändert? Wohin geht der Trend der Arenen-Gestaltung?
Fritz: Arenen sind Bestandteil des öffentlichen Lebens. Entsprechend unterliegen auch sie den allgemeinen Trends unserer Gesellschaft: Nachhaltigkeit, Digitalisierung, wachsende Sicherheitsbedürfnisse oder Effizienzdruck. Diese Entwicklungen sind eng miteinander verwoben und stellen Venue-Betreiber vor neue Herausforderungen, bieten aber auch eine Vielzahl an Chancen.

Auf der Chancen-Seite steht unter anderem die Steigerung des Entertainment Values – vor Ort, aber auch für die daheimgebliebenen Fans. Anwendungsbereiche hierfür sind Augmented-Reality-Ansätze, die Fans mit Leistungsdaten der Spieler versorgen oder Konzepte in Richtung Gamification und Fan Involvement, wie der FanBoost in der Formel E.

Eine weitere Entwicklung, die wir insbesondere bei Neubauten sehen, ist die vermehrte Integration des Venues ins alltägliche Leben abseits von den großen Events. In den USA werden Arenen zu Shopping- und Entertainment-Destinationen. Denkbar sind auch andere multifunktionale Ansätze wie die Kindertagesstätte im Millerntor-Stadion. Wichtig ist dabei ein standort-adäquates Konzept, das die Bedürfnisse und Gegebenheiten vor Ort aufgreift.

Wenn wir konkret auf den Bereich Digitalisierung eingehen, dann lässt sich feststellen, dass viele Arenen in den letzten Jahren digitaler geworden sind. Smart Venues sind jedoch die wenigsten. Es wird unter anderem in Netzwerktechnologie, Payment-Modelle und Zugangstechnologie investiert. Gedacht wird jedoch in zumeist untereinander nicht vernetzten Einzellösungen. Hier werden Potenziale verschenkt. Die Kooperation von Nielsen Sports und Drees & Sommer setzt genau hier an. Wir denken Digitalisierung ganzheitlich und von den Stakeholdern her. Nicht die Komponenten, sondern der Mehrwert für Fan, Betreiber, Stadionmanager oder Sponsoren steht im Vordergrund.

Sebastian Kurczynski
Sebastian Kurczynski Bild: NIELSEN Sports
Stadionwelt: Warum sind Namensrechte so wichtig für Venues? Stellen sie so eine eigene Marke dar? Wie werden Emotionen und Werte transportiert?
Kurczynski: Veranstaltungsstätten selbst sind typischerweise für das Marketing bestimmter Werbemittel rund um das Stadion verantwortlich. Diese Mittel verbleiben für jegliche Veranstaltungen beim Betreiber und können vermarktet werden. Durch die Vermarktung des Namensrechts eines Venues – häufig in Kombination mit weiteren werblichen Präsenzen vor Ort – lässt sich entsprechend Umsatz in relevanter Größenordnung erzielen.

In jüngerer Vergangenheit wandeln sich Sponsorings jedoch mehr und mehr zu Partnerschaften. Entsprechend rückt ein zweites Ziel in den Fokus: nicht-monetäre Mehrwerte schaffen, zum Beispiel über Wissenstransfer. Auf Sponsorenseite können so Produkt-Showcases geschaffen werden, die stärker auf die Marke einzahlen als die bloße Logopräsenz. Weitere Gründe für Sponsoren, Namensrechte von Venues zu nutzen, sind Standortmarketing, Employer Branding, oder Mitarbeiter-Incentivierung.

Eine Venue-Marke unabhängig vom dort spielenden Klub aufzuladen ist schwer. Ikonen wie Wembley bilden hier eine Ausnahme. Selbst die Anfield Road wäre ohne den FC Liverpool nicht der Mythos, von dem heute alle sprechen. Schlussendlich geht man dort hin, um etwas Besonderes zu erleben. Ein toller Venue kann hier einen wesentlichen Beitrag leisten, wiederkehrende Besuche schafft jedoch erst die Kombination mit dem Event vor Ort.

Durch Wow-Erlebnisse auf und neben dem Spielfeld werden Emotionen und Werte transportiert und beim Fan verankert. Dazu müssen Hygiene-Faktoren wie Sicherheit, kurze Wartezeiten und Verfügbarkeit von Waren erfüllt sein. Beides kann durch Digitalisierung unterstützt werden.

Stadionwelt: Welche neuen Einnahmequellen für Arenen sind durch die Digitalisierung aufgekommen?
Kurczynski: Strategisch geplante Digitalisierung steigert den Return on Investment (ROI) von Arenen. Sie setzt dabei an drei Hebeln an: Kostenreduktion durch Optimierung bestehender Prozesse, Steigerung der Einnahmen innerhalb bestehender Erlösströme und zusätzliche Erlöse durch neue Geschäftsmodelle.

Wenden wir uns zuerst den Optimierungspotenzialen zu: Smarte Gebäude ermöglichen einen verbesserten Ressourceneinsatz. Das reicht im Stadion-Kontext von der mittels Besucherstrom-Tracking optimierten Personalplanung über per Predictive Maintanance identifizierte und vor Verschleiß ausgetauschte Bauteile bis hin zu eingespartem Catering.

Auf der Einnahmenseite lassen sich im Bestand zusätzliche Potenziale in Ticketing, Merchandising und Sponsoring heben. Ein Ansatz in diesem Bereich sind – aufgrund von Kaufdaten ermittelte – getargete Merchandising-Angebote, die per Beacons an App-Nutzer ausgespielt werden. Wenn wir über neue Einnahmequellen reden, dann entstehen diese zum Beispiel durch neuartige Standortkonzepte als Co-Working-Space oder Mobilitätshub.

Stadionwelt: Arenen und Stadien als 365-Tage-Destination: Wie sehen Sie die Zukunft? Denken Sie, Arenen sollen nebst Unterhaltungsprogrammen weiteres bieten, um die Kunden auch außerhalb der Events bei sich zu behalten oder zu sich zu locken?
Fritz: Betreiber von Venues werden zukünftig noch stärker gefordert sein, in Richtung Destinationsentwicklung zu denken. So lassen sich nicht nur bislang ungenutzte wirtschaftliche Potenziale realisieren. Gleichzeitig kommt man auch den sich wandelnden politischen und gesellschaftlichen Anforderungen nach. Ein Stadion, das nur an 17 bis 20 Tagen genutzt wird und den Rest des Jahres leer steht, ist nicht nachhaltig und wirtschaftlich. Direkte Anwohner profitieren kaum davon, Betriebs- und Instandhaltungskosten fallen trotzdem an. Durch 365-Tage-Nutzungskonzepte und Drittnutzungen wie Reha-Zentren und Kitas können Venue-Betreiber unabhängig vom sportlichen Erfolg des Vereins über das ganze Jahr hinweg zusätzliche Einnahmen erzielen.

Insbesondere wenn es um einen Neu- oder Ausbau des Stadions geht, gilt es, ein schlüssiges Konzept zur Quartiersentwicklung und nicht bloß zum Stadionbau vorzulegen, um alles Stakeholder abzuholen. Einen allgemeingültigen Ansatz dafür gibt es nicht. Jede Arena und jede Sportstätte benötigen eine individuelle und optimierte Lösung, die standortabhängig zu entwickeln ist. Digitalisierung wird hierbei eine zentrale Rolle spielen. (Stadionwelt, 18.11.2019)

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