„Der Kunstrasenplatz hat seine Berechtigung“

Seit Jahren ist die PR Recycling GmbH im Recycling- und Sportstättengewerbe tätig. Im Interview äußert sich Geschäftsführer Philipp Raff zur aktuellen Mikroplastik-Debatte – und gibt Tipps an Vereine.

Philipp Raff
Philipp Raff
Stadionwelt: PR Recycling hat sich auf den Ausbau und Rückbau, den Transport und die fachgerechte Entsorgung von Kunstrasenplätzen spezialisiert. Wie genau sieht die Arbeit des Unternehmens aus?
Raff: Die Diskussionen der letzten Wochen haben auch in der breiten Öffentlichkeit klar gemacht, dass die Messlatte für umweltgerechtes Handeln im Bereich des Sportstättenbaus und der hiermit verbundenen Produzenten höhergelegt werden muss. Hierzu möchten wir einen aktiven Beitrag leisten: PR Recycling ist eine Kombination aus spezialisiertem De-Installations-Dienstleister, Spediteur und zertifiziertem Entsorgungsunternehmen.
Unsere Aufträge erhalten wir in der Regel von den bekannten Marktteilnehmern, deren Geschäft auf den Neubau ausgerichtet ist. Wir erhalten Aufträge, Tartan-Bahnen, Kunstrasenplätze oder Elastik-Schichten zurückzubauen, damit an der gleichen Stelle etwas Neues entstehen kann.

Stadionwelt: Worauf wird bei der Entsorgung eines Platzes geachtet? Welche Vorgaben müssen dabei eingehalten werden?
Raff: Jedes Projekt ist anders. Wichtig ist, den Grundsatz des Kreislaufwirtschaft-Gesetzes zu verstehen. Höchste Priorität hat die Wiederverwendung eines Stoffes. Erst danach, wenn es nicht anders geht, kommen Recycling oder Verwertung. Das macht auch sehr viel Sinn, da heute die Entsorgungskosten manchmal schon auf dem Preis-Niveau von Neu-Materialien liegen. Hierzu kommt, dass Transportraum knapp und teuer ist. Häufig fallen an einer Baustelle Materialien mit einem Gewicht von mehr als 200 Tonnen an. Da sind schnell mehr als 10 große LKW voll. Es ist daher wichtig, jedes Projekt zu verstehen und alle Optionen für eine Wiederverwendung und ihre nachrangigen Alternativen zu prüfen.

Stadionwelt: Skizzieren Sie den Rückbau eines Kunstrasenplatzes. Wie viel Zeit nimmt dies in Anspruch?
Raff: Um die regionale Wiederverwendung von Materialien möglich zu machen, entfernen wir beispielsweise bei Sand-Gummi-gefüllten Kunstrasenplätzen erst das Gummi-Material. Hier kommen schnell 30-40to zusammen. Danach entfernen wir den speziellen Quarzsand, ca. 140to, und wickeln den Kunstrasen wie einen Teppich auf (ca. 10-20to). Wir können also gleich vor Ort die Materialien begutachten und sie idealerweise vor Ort einer neuen Verwendung zuführen. In der Saison bauen wir pro Mannschaft ein bis zwei Großspielfelder pro Woche aus.

Stadionwelt: Welche Bauweise lässt sich am besten trennen?
Raff: Die Komplexität steigt natürlich mir der Anzahl der eingesetzten Komponenten. Grundsätzlich stellt die Trennung keine Herausforderung dar, lediglich die Sortenreinheit der Einzelkomponenten.

PR Recycling hat sich auf den Ausbau und Rückbau, den Transport und die fachgerechte Entsorgung von Kunstrasenplätzen spezialisiert.
PR Recycling hat sich auf den Ausbau und Rückbau, den Transport und die fachgerechte Entsorgung von Kunstrasenplätzen spezialisiert. Bild: PR Recycling GmbH

Stadionwelt: Die Mikroplastik-Diskussion beschäftigt derzeit zahlreiche Amateurvereine in ganz Deutschland. Was denken Sie darüber?
Raff: Die Debatte in Deutschland wird hitzig und inhaltlich oft falsch geführt. Der Kunstrasenplatz hat seine Berechtigung, seine Bedeutung wird weiter zunehmen. Die Sand-Gummi-Systeme sind perfekt für den Sportler, da kommen Sand oder Vollkunststoffrasen bei Weitem nicht ran und verursachen zudem mehr Spielerverletzungen. Richtig ist: Wir müssen mehr Sorge tragen, dass der Gummi im Platz bleibt. Hier gibt es zahlreiche Lösungen. Nur eine unter vielen Ideen ist, mit altem, ungefülltem Kunstrasen die Auslaufzonen zu vergrößern, um den Gummiaustrag zu verringern. Zudem sollen Spieler nach der Aktivzeit mögliche Gummireste vor Ort abklopfen oder -pusten. Natürliche Alternativen zum Gummi verwandeln den Platz in ein System, das regelmäßig gewartet werden muss und entsprechenden Zeit- und Kostenaufwand nach sich zieht.

Stadionwelt: Worauf müssen Vereine mit Kunstrasenplätzen achten?
Raff: Vereine sollten auf gute Qualität achten, denn Langlebigkeit verbessert sofort die Nachhaltigkeit positiv. Eine gute Pflege steigert die Langlebigkeit. Im Zuge der Mikroplastik-Diskussion ist es sicher sinnvoll, die Auslaufzonen bei den Plätzen zu vergrößern. Hier können z.B. ungefüllte, texturierte Rasen Gummi vom Spielfeld festhalten. Gleiches gilt für Pufferzonen, auf denen im Winter vom Spielfeld abgeschobener Schnee gelagert wird. Hierzu kommen spezielle Drainage-Kanäle, die ebenfalls Mikroplastik gänzlich zurückhalten. Mittlerweile gibt es sogar Abklopf-Schleusen für Spieler, um Schuhe und Stutzen von Gummi zu säubern.

Steht der Austausch eines bestehenden Kunstrasens bevor, sollten die ausschreibende Stelle und der Verein darauf achten, nicht nur die Ausbaufläche, sondern auch die Materialien und deren Masse zu spezifizieren. So lässt sich Geld sparen, da das Angebot weniger Risikopositionen enthält. Sinnvoll ist es auch, bereits vor der Ausschreibung festzulegen, ob bestimmte Komponenten wie z.B. Sand oder Granulat erneut genutzt werden sollen. Hierdurch können nicht nur die Kosten gesenkt, sondern auch die Umwelt geschont werden. Gerade Sand und Gummi sind häufig noch einmal einsetzbar. Im Zweifel kann eine Laboranalyse Sicherheit bringen. Hier hilft PR Recycling gern.

Stadionwelt: Sollte die EU das Granulat auf Kunstrasenplätzen verbieten, würde das viele Sportvereine betreffen. Welche geeigneten Alternativen gibt es zum Gummi-Granulat? Wie läuft die Umrüstung auf eine mögliche Alternative ab?
Raff: Es ist nicht belegt, dass die EU Gummigranulate aus Sportplätzen verbietet. Diskutiert werden lediglich eine Erhöhung der Umwelt-Anforderungen an das Gummi-Granulat. Ich bin mir sicher, dass die Industrie daran arbeitet, die Vorteile der Gummi- und natürlichen Infill-Materialien zu vereinen, ohne ihre Nachteile zu präsentieren. Aktuell werden auf einigen Plätzen Gummi-Granulate entfernt und der Rasen als Sandplatz weiter betrieben. Kork ist wegen Verknappung zwischenzeitlich recht teuer geworden.

Stadionwelt: Haben die Plätze, auf denen Sie arbeiten, in der Regel die erwartete Lebensdauer erreicht?
Raff: In Deutschland haben wir eine hohe Qualität und die Plätze halten meist länger als geplant. Einschränkungen gibt es bei Alt-Plätzen, bei den das Granulat verklebt. Bei frühzeitiger Erkennung können die Plätze gerettet werden – gerne helfen wir weiter.

Stadionwelt: Erreicht die ortsgebundene Elastikschicht tatsächlich einen mindestens doppelt so langen Lebenszyklus wie der Belag?
Raff: Ja, das kann man so bestätigen. Am Ende ist die Einbau-Qualität entscheidend. In anderen Ländern hat dies nicht immer so funktioniert. Elastikschichten lassen sich auch partiell erneuern oder noch einmal abziehen (Zusatzschicht). Mittlerweile gibt es auch Elastikschichten mit dem vierten Kunstrasen. Bei uns erhöht sich die Nachfrage zum Ausbau und zur Wiederverwendung der Elastikschicht-Materialien von Jahr zu Jahr… (Stadionwelt, 15.08.2019)

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