Stadionevents: Wann haften Betreiber und wann Veranstalter?

Vielfältige Heftungsszenarien und kein einheitliches Veranstaltungsrecht – das ist der Status quo bei Stadionevents. Ein Gastbeitrag von Philipp Schröder-Ringe, Rechtsanwalt und Partner bei HÄRTING Rechtsanwälte.

Sobald sich die großen Sportligen dem Saisonende nähern, beginnt die Konzert-Saison. Dann werden in vielen großen Stadien und Arenen des Landes andere Veranstaltungen als üblich durchgeführt. Auf dem Feld stehen dann, statt 22 Spieler, eine große Bühne und 15.000 Konzertbesucher. Spätestens, wenn die gewohnten (Sicherheits-) Mechanismen und Konzepte nicht mehr greifen, kommt die Frage auf, wer haftet, wenn etwas schiefläuft.

Wenn Zuschauer, Sportler, Mitarbeiter oder Unbeteiligte zu Schaden kommen, wird stets im Einzelfall zu prüfen sein, wer seine Pflichten schuldhaft verletzt hat. Als Schadensverursacher kommen Veranstalter, Betreiber, Besucher oder sogar die Künstler oder Sportler selbst sowie sonstige Dritte in Frage. Es gibt vielfältige Haftungsszenarien, aber kein einheitliches „Veranstaltungsrecht“. Obwohl schon jahrelang gefordert, sind weder das Genehmigungsverfahren noch die Anforderungen an die Sicherheit bei Großveranstaltungen vereinheitlicht, geschweige denn normiert worden.

Die Grenzen sind schwimmend

Meist richtet sich der Blick auf die beiden Hauptakteure: Den Betreiber und den Veranstalter. Betreiber ist derjenige, der rechtlich befugt und tatsächlich im Stande ist, bestimmten Einfluss auf eine Anlage auszuüben. Betreiber ist somit regelmäßig der Eigentümer der Veranstaltungsstätte bzw. deren Pächter oder Dauermieter. Der Veranstalter ist dagegen derjenige, der die finanzielle und organisatorische Verantwortung für die Veranstaltungsdurchführung trägt. Die Grenzen sind hier schwimmend. So tritt bisweilen auch der Betreiber als Veranstalter auf.

Mit der Organisation und Durchführung eines Events schafft der Veranstalter eine Gefahrenquelle. Um die Gefahren in einem akzeptierten Rahmen zu halten, muss er alles Erforderliche und ihm zumutbare unternehmen, um mögliche Gefahren von den Besuchern, dem Betreiber und Dritten abzuwenden.
Aufgrund der sogenannten Verkehrssicherungspflicht muss der Veranstalter für alle erkennbaren Risiken Vorsorge treffen. Er muss sicherstellen, dass selbst für den unwahrscheinlichen aber möglichen Schadensfall Vorkehrungen getroffen werden. Die Pflicht kann so weit gehen, dass der Veranstalter sogar dann Schadenersatz zahlen muss, wenn trotz Einhaltung der maßgeblichen DIN-Normen die geringe Wahrscheinlichkeit eines Unfalls mit der Gefahr nicht unerheblicher Verletzungen besteht. So erging es einem Eishockey-Verein, nachdem eine Frau bei einem DEL-Spiel von einem Puck am Kopf getroffen und erheblich verletzt wurde (vgl. OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss v. 6.7.2015 - U 804/15).

Abseits des Sports haben Veranstalter von Musikevents für eine angemessene Lautstäke Sorge zu tragen und auch sonst alle möglichen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, sodass bei den Besuchern keine gesundheitlichen Schäden entstehen – selbst, wenn sie sich direkt vor die Lautsprecherboxen stellen (LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 1. 12. 2004 - 6 O 4537/03).

Als Teil seiner Verkehrssicherungspflicht muss der Veranstalter von Konzerten auch Maßnahmen ergreifen, die geeignet sind, das sog „stage diving“ zu unterbinden. Macht er dies nicht, haftet er, wenn bei einem Sprung von der Bühne in den Zuschauerraum ein anderer Besucher verletzt wird. Trifft der Veranstalter Vorsorge, etwa indem er die auftretenden Künstler vertraglich verpflichtet, sich aktiv gegen das stage diving zu positionieren, haftet er nicht, wenn dann doch ein Besucher beim stage diving auf Animation einer Rockgruppe mitmacht und sich dabei verletzt. (LG Hechingen, Urteil vom 15. 4. 2002 - 2 O 389/01). 
Veranstalter von Fußballspielen können auch bei Verstößen gegen das Verbandsrecht zur Kasse gebeten werden. Nach § 9a der Rechts-und Verfahrensordnung des DFB sind die Vereine unter anderem für das Verhalten ihrer Zuschauer und das Abbrennen von Pyrotechnik verantwortlich. Nur ein kleiner Wehrmutstropfen ist es dabei, dass der Fußballverein Regress beim randalierenden Zuschauer nehmen kann (vgl. BGH, Urteil vom 22.9.2016 – VII ZR 14/16).

Neben einer deliktischen Haftung aus §§ 823 ff. BGB kann es auch zu einem Schadenersatzanspruch gemäß §§ 280 ff. BGB kommen aufgrund der Verletzung der Vertragspflichten aus dem mit den Veranstaltungsteilnehmern oder dem Betreiber geschlossenem Vertrag.

Strenger Maßstab für höhere Gewalt

Der Veranstalter handelt nicht schuldhaft in Fällen höherer Gewalt. Darunter versteht man ein von außen kommendes, nicht vorhersehbares und auch durch vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis. Für die Annahme höherer Gewalt legt die Rechtsprechung einen sehr strengen Maßstab an. Schlechtwetterkatastrophen und insbesondere Sturmschäden und Gewitter, werden in der Regel nicht als höhere Gewalt anerkannt, vielmehr geht es hier um Terroranschläge oder Naturkatastrophen.  
Der Betreiber eines Stadions ist vor allem für die bauliche und technische Ausstattung verantwortlich. Als gesetzliche Haftungsgrundlagen kommen für den Betreiber zunächst die §§ 836, 837, 838 BGB in Betracht. Katastrophen wie in Heysel, Hillsbourough oder Bradford sollten – jedenfalls in Europa - der Vergangenheit angehören.

Aktuell ergeben sich die Haftungsfragen eher mit Blick auf § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. den Anforderungen der (Muster-) Versammlungsstättenverordnung. Hiernach ist der Betreiber unter anderem für den Brandschutz, die Fluchtwege und das Sicherheitskonzept verantwortlich. Die Verantwortung des Betreibers erstreckt sich dabei über das gesamte in seinem Herrschaftsbereich stehende Gelände, d.h. auch die Zugänge und Parkplätze zählen hierzu – nicht jedoch die Zufahrtsstraßen oder Bahnhöfe. Zudem muss er die Zusammenarbeit von Ordnungsdienst, Brandsicherheitswache und Sanitätswache mit der Polizei, der Feuerwehr und dem Rettungsdienst gewährleisten.

Der Betreiber muss gemäß § 38 MVStVO sicherstellen, dass ausreichend qualifiziertes Sicherheitspersonal anwesend ist, um den gebotenen Sicherheitsstandard zu gewährleisten. Während des Betriebs von Versammlungsstätten muss der Betreiber oder ein von ihm beauftragter Veranstaltungsleiter ständig anwesend sein. Augen zu und durch ist für den Betreiber keine Option, ist er doch nach § 38 Abs. 4 MVStVO zur Einstellung des Betriebes verpflichtet, wenn für die Sicherheit der Versammlungsstätte notwendige Anlagen, Einrichtungen oder Vorrichtungen nicht betriebsfähig sind oder, wenn Betriebsvorschriften nicht eingehalten werden.

Danach muss der Betreiber – neben dem Veranstalter - damit rechnen in Regress genommen zu werden, wenn die Notausgänge zu niedrig dimensioniert sind, für die – im Vergleich zum Spielbetrieb – erhöhte Anzahl an Zuschauern im gesamten Stadion oder einzelnen Bereichen, wie etwa im Stadioninnenraum. Kommt ein Besucher zu Schaden, weil ein Stadion aufgrund mangelhafter Konstruktion und Ausführung nicht genügend Sicherheit vor Verletzungsgefahren bietet, verletzt der Betreiber seine Verkehrssicherungspflicht (vgl. LG Dortmund, Urteil vom 14.5.2004 – 3 O 101/03).

Selbst, wer Räumlichkeiten für ein Konzert inkl. Musikanlagen zur Verfügung stellt, trägt die Verkehrssicherungspflicht dafür, dass bei der Lautstärke Sicherungsmaßnahmen getroffen werden, damit Hörschäden vermieden werden, selbst wenn der Geschädigte den ganzen Abend neben dem Lautsprecher steht (OLG Koblenz, Urteil vom 13.9.2001 – 5 U 1324/00). Daneben ist eine Haftung des Betreibers auch denkbar, wenn die vom Veranstalter verpflichtete Band gegen immissionsrechtliche Genehmigungen des Betreibers verstößt.

Betreiber können ihre Pflichten aus § 38 Abs. 1 bis 4 MVStättVO auf den Veranstalter übertragen. Dann müssen sie jedoch sicherstellen, dass der Veranstalter oder dessen beauftragter Veranstaltungsleiter mit der Versammlungsstätte und deren Einrichtungen vertraut ist. Allerdings entlässt sie eine solche Vereinbarung nicht aus der Haftung als Betreiber gegenüber Dritten (§ 38 Abs. 5 S. 2 MVStättVO).
Betreiber von Stadien und Arenen sollten in der Vertragsgestaltung mit dem Veranstalter darauf achten, dass dieser nicht nur zu einem pfleglichen Umgang mit der Mietsache, sondern auch zur Einhaltung der Vorgaben aus der MVStättVO sowie sonstiger öffentlich-rechtlicher Vorgaben und zur Einholung aller erforderlichen Genehmigungen verpflichtet wird. Dies gilt nicht nur, aber vor allem, soweit der Veranstalter über die bisherige Nutzung des Stadions hinausgeht und neue Nutzungsformen erprobt. (Stadionwelt, 16.04.2019)

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