„Kombination aus Altbewährtem und Technologie“

Beim Innovation Game im RheinEnergieSTADION kamen einige technische Neuerungen zum Einsatz. Im Interview sprechen Projektleiter Jan Schaffner sowie Schiedsrichter und Stakeholder Nicolas Winter über das Riedel-Projekt.

V.l.n.r.: Denis Obrebski (Technische Leitung des Projekts), Nicolas Winter (Schiedsrichter und Stakeholder), Patrick Kessel (Schiedsrichter und Stakeholder) und Jan Schaffner (Projektleiter).
V.l.n.r.: Denis Obrebski (Technische Leitung des Projekts), Nicolas Winter (Schiedsrichter und Stakeholder), Patrick Kessel (Schiedsrichter und Stakeholder) und Jan Schaffner (Projektleiter). Bild: Riedel

Stadionwelt: Am 16. Juli fand im Kölner RheinEnergieSTADION das Innovation Game statt. Der 1. FC Köln traf auf den AC Mailand – und die Partie stand ganz im Zeichen der Innovation. Inwieweit war Riedel am Event beteiligt?
Schaffner: Neben der Schiedsrichterkommunikation präsentierte Riedel zusammen mit In-YS, einem Joint Venture aus Riedel und den beiden Schiedsrichtern Nicolas Winter und Patrick Kessel, die sogenannte REF-Cam, eine Schiedsrichterkamera. Dabei handelt es sich um eine Miniaturkamera, die live-stabilisierte Videos aus der Perspektive der Schiedsrichter zeigt.

REF-Cam: High-Tech-Tool im Mini-Format.
REF-Cam: High-Tech-Tool im Mini-Format. Bild: Riedel

Stadionwelt: Bitte schildern Sie einmal die Idee dahinter und erklären Sie, worum es sich dabei genau handelt.
Winter: Im Gegensatz zu anderen Sportlern wie zum Beispiel Fußballspielern haben Schiedsrichter nicht die Möglichkeit, aktiv auf dem Spielfeld zu trainieren, indem sie beispielsweise Zweikämpfe in einer Trainingssituation beurteilen. Daher arbeiten sie vermehrt mit Videoszenen, um ihre Spiele aufzubereiten bzw. um sich auf zukünftige Spieleinsätze vorzubereiten. Bei all der Auswahl an verschiedenen Kameras, die mittlerweile in den Bundesligen etabliert sind, ist es dem Schiedsrichter bisher nicht möglich, seine eigene Perspektive für Trainingszwecke erneut einzunehmen. Beim Innovation Game in Köln wurden den Fernsehzuschauern diese Bilder präsentiert und die schwierige Aufgabe der Unparteiischen in ausgewählten Szenen nähergebracht.

Die REF-Cam kann einen Beitrag zur Gewaltprävention im Amateursport liefern.

Darüber hinaus kann die REF-Cam einen Beitrag zur Gewaltprävention im Amateursport liefern, wo es in der jüngeren Vergangenheit vermehrt zu Übergriffen auf Unparteiische kam. Durch einen abschreckenden Charakter – ähnlich einer Bodycam bei der Polizei – soll Gewaltübergriffen vorgebeugt werden. 

Auch außerhalb des Fußballs kann die REF-Cam beliebig eingesetzt werden. Die Miniaturkamera wird dabei am Bügel des Headsets eines Spielleiters – es ist auch ohne Headset möglich – durch eine smarte Clip-on-Lösung angebracht. Der Einsatz ist darüber hinaus als sogenannte PoV-Kamera, also Point of View, auch in nahezu jeder Sportart denkbar, um den Zuschauer noch näher an bzw. auf das Spielfeld zu bringen. Durch die Positionierung der REF-Cam am Kopf wird gewährleistet, dass auch wirklich das Sichtfeld des Schiedsrichters eingefangen wird.

Smarte Anbringung des Geräts mithilfe der Clip-on-Lösung.
Smarte Anbringung des Geräts mithilfe der Clip-on-Lösung. Bild: Riedel

Das Joint Venture In-YS steht für die englische Redewendung „in your shoes“ – Deutsch: in deiner Haut stecken – und kombiniert die technische Expertise von Riedel mit den inhaltlich relevanten Komponenten aus Sicht der Schiedsrichter.

Stadionwelt: Wie wurde die REF-Cam im Rahmen des Innovation Games eingesetzt – und was steckt technisch hinter dem Produkt?
Schaffner: Die REF-Cam wurde durch den Schiedsrichter Sascha Stegemann, der u.a. das DFB- Pokalfinale zwischen Leipzig und Freiburg leitete) sowie seinem Assistenten Benedikt Kempkes getragen. Nach dem Spiel sagte der Schiedsrichter im Interview bei Magenta Sport, dass er die Kamera überhaupt nicht gespürt habe und somit keinerlei Beeinträchtigung während des Spiels hatte, was nicht zuletzt an der Größe und dem kaum merkbaren Gewicht von ca. 10 Gramm liegt.

Das Videomaterial der REF-Cam überzeugt durch eine direkte Stabilisierung, ohne Wackler oder irritierendes Flimmern. Eine kleine, kaum auffällige Übertragungseinheit sorgt dafür, dass das Videomaterial mit ausreichend Bandbreite übertragen wird.

Beim Innovation Game in Köln wurde den Zuschauern bereits vor dem Spiel eine Aufnahme aus der Sicht des Schiedsrichters beim Warm-up gezeigt und die diversen Vorteile für die Unparteiischen wurden durch Nicolas Winter im Gespräch mit der Moderatorin Anett Sattler erläutert. In der Halbzeit wurde eine spannende Abseitsszene des Schiedsrichterassistenten gezeigt, welche unmittelbar zum 0:1 für den AC Milan durch Olivier Giroud führte. Dabei erläuterte Winter die Positionierung des Assistenten, die maßgeblich für die korrekte Torerzielung war und im Nachgang nochmals detailliert analysiert werden kann. Im Nachgang des Spiels äußerte sich Schiedsrichter Stegemann zu zwei weiteren Szenen aus seiner Perspektive.

Die REF-Cam wird vor dem Spiel in einem klar definierten Workflow am Schiedsrichterteam befestigt.
Die REF-Cam wird vor dem Spiel in einem klar definierten Workflow am Schiedsrichterteam befestigt. Bild: Riedel

Stadionwelt: Was muss man in puncto Bedienung wissen?
Schaffner: Die REF-Cam wird vor dem Spiel in einem klar definierten Workflow am Schiedsrichterteam befestigt, sodass diese ungestört ins Spiel gehen können. Anschließend hat unser Team die Möglichkeit, einige Parameter remote zu justieren. Dies gilt auch für kleinere Bildpositionskorrekturen, sollte die Kamera aufgrund äußerer Umstände einmal verrutschen.   

Das mediale Echo war überwältigend.

Stadionwelt: Wie fällt das Fazit des Pilotprojekts aus? Welches Feedback haben Riedel und In-YS erhalten?
Winter: Das Fazit war durchweg sehr positiv. Wichtig war zunächst, dass allen voran das Schiedsrichterteam auf dem Spielfeld von der Kamera überzeugt war und sie keinerlei Störfaktor darstellte. Auch der Trainingsnutzen wurde von Sascha Stegemann im Interview nach dem Spiel hervorgehoben, ebenso wie die Einblicke für die Zuschauer und das damit verbundene, größere Verständnis für die schwierige Arbeit der Unparteiischen. Auch das mediale Echo zur REF-Cam war überwältigend. Besonders gefreut hat uns auch, dass die Experten vor Ort sowie der Trainer des 1. FC Köln, Steffen Baumgart, die Idee sehr positiv aufgefasst haben.

Stadionwelt: Können wir in Zukunft mit einer flächendeckenden Nutzung im Profifußball rechnen?
Schaffner: Aktuell ist der regelmäßige Einsatz der REF-Cam im Fußball noch gar nicht möglich, da Schiedsrichter aufgrund des Regelwerks aktuell keine Kameras auf dem Spielfeld tragen dürfen. Allerdings hat das IFAB (Internation Football Association Board) gerade einem Antrag der FA zugestimmt, dass Schiedsrichter im Amateursport zu Testzwecken mit einer Kamera ausgestattet werden, um den vielen Übergriffen auf Unparteiische präventiv entgegenzuwirken. Riedel und In-YS wollen ebenso einen Teil dazu beitragen, dass Schiedsrichter neue Trainingsmöglichkeiten erhalten und das Verständnis für die Rolle der Unparteiischen wächst. Daher begrüßen wir jede Öffnung dieser Regel, sodass im digitalen Zeitalter alle Anspruchsgruppen, zum Beispiel Schiedsrichter, Zuschauer, Fans usw., davon profitieren können.

Stadionwelt: Welche weiteren Neuheiten wurden neben der REF-Cam im Rahmen des Aktions-Spieltags in Köln ausprobiert?
Schaffner: Neben der REF-Cam kamen u.a. Bodycams bei den Spielern zum Einsatz, die auf Brusthöhe eingesetzt wurden. Außerdem wurden vereinzelt Auszüge der Kommunikation der Spieler veröffentlicht. Hier waren die Spieler jedoch sehr sensibel und wollen das gesprochene Wort auch gerne auf dem Platz belassen.

Stadionwelt: Erste Tests der REF-Cam auf Amateurebene fanden bereits statt, wie fällt die Bilanz aus?
Schaffner: Auch hier fällt die Bilanz gleich gut aus wie beim Innovation Game der Telekom. Spieler, Trainer, Fans und auch die Schiedsrichter sind sehr neugierig auf die neuen Bilder und stehen weiteren Einsätzen positiv und offen gegenüber.

Stadionwelt: Ist eine flächendeckende Nutzung der REF-Cam im Amateurbereich umsetzbar? Und wenn ja, wie genau sieht hier die Handhabung aus?
Schaffner: Derzeit arbeiten wir auch an einer Variante, die neben einer Live-Übertragung für den Profisport auch eine Trainingsvariante für den Amateursport beinhaltet. Dabei verfolgen wir einen „Plug & Play-Ansatz“, der es auch technisch nicht versierten Nutzern einfach macht, die REF-Cam so zu nutzen, wie sie es beispielsweise von einer GoPro kennen.

Fans stehen technischen Neuheiten zunächst einmal eher kritisch gegenüber.

Stadionwelt: Wie werden derartige Innovationen aus Ihrer Sicht grundsätzlich vonseiten der Fans angenommen? Inwieweit verbessert dies die Fan Experience – im Stadion und am TV-Bildschirm?
Winter: Fans stehen technischen Neuheiten zunächst einmal eher kritisch gegenüber. Allgemein herrscht das Meinungsbild, dass mehr Technologien den Fußball verändern. Dennoch sind wir der Überzeugung, dass sich der Sport in einem sinnvollen Zusammenhang weiterentwickeln darf und auch muss, insbesondere wenn es um Aspekte wie Training, Coaching, Sicherheit und Fairness geht, wo alle Anspruchsgruppen profitieren können.

Ein regelmäßiger Einsatz der innovativen Technologie ist aktuell noch nicht möglich.
Ein regelmäßiger Einsatz der innovativen Technologie ist aktuell noch nicht möglich. Bild: Riedel

Stadionwelt: Welche Neuheiten und Entwicklungen erwarten Sie noch für die Zukunft?
Winter: Gerade im Fußball gab es in der Vergangenheit einige Innovationen, die direkt ins Spiel eingegriffen haben – unter anderem die Torlinientechnologie oder den VAR, weshalb jede technische Neuerung zunächst gut geprüft werden muss, um den Fußball nicht zu überfrachten, sondern weiterzuentwickeln. Nicht zuletzt schaffen unterschiedliche Perspektiven und digitale Overlays neue Einblicke, die wiederum vermarktet werden können. Eine neue Generation an Fans, die mit Spielen wie FIFA oder Pro Evolution Soccer herangewachsen sind und den Sport aus einem anderen Blickwinkel kennen, stellen ganz neue Anforderungen in puncto Entertainment. Daher setzen wir auf eine Kombination aus Altbewährtem und Technologie, um die zahlreichen Vorteile hervorzuheben und nachhaltig zu gestalten, ohne das Spiel zu verändern. (Stadionwelt, 05.10.2022)

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