„Wir bringen die Show ins Stadion“

Arnd Heiken, Inhaber von Heiken-Media und Mitinhaber/Geschäftsführer der ProTime Sportservice GmbH, ist Stadion-Regisseur und Zeremonienmeister zahlreicher Groß-Events der Leichtathletik. Im Interview bietet er eine Vorschau auf Olympia in Tokyo 2021.

Arnd Heiken in seinem Element, hier in Doha.
Arnd Heiken in seinem Element, hier in Doha. Bild: Heiken-Media
Stadionwelt: Herr Heiken, steht Ihr Tokyo-Termin?
Heiken: Noch gehen wir davon aus, dass Tokyo 2021 stattfindet. Allein schon die monetäre Seite spricht dafür. Eine Absage würde laut einer Schätzung 13 Mrd. Dollar kosten. Nach aktuellem Stand geht mein Flieger nach Tokyo am 22. Juli.

Stadionwelt: Wie sieht denn die praktische Seite von Einreise und Aufenthalt aus?
Heiken: Es gab im Laufe der Zeit verschiedene Szenarios für die Zeit vorher und den Aufenthalt vor Ort. Ich war im Mai schon für ein Test-Event dort und kann sagen, dass alles ziemlich kompliziert ist, was schon mit den Corona-Tests beginnt und den Kriterien, welche Tests anerkannt werden.

Stadionwelt: Und was ist Ihr Job bei Olympia 2021?
Heiken: Ich habe die Stadionregie bzw. den Job des Show Callers. Bei mir läuft alles zusammen, was die Event-Präsentation im Olympiastadion betrifft. Ich koordiniere als Show Caller alles, was stattfindet gemäß der im Vorfeld ausgearbeiteten Zeitpläne und präge damit das Erscheinungsbild der Veranstaltung, wie das Publikum sie wahrnimmt. Wir bringen die Show ins Stadion – mit allem von Kleinigkeiten bis zu großen Programmpunkten. Es sind die sportlichen Abläufe im Plan, aber auch das Rahmenprogramm Da hängt das TV mit dran, woraus wesentliche Anforderungen hervorgehen. Somit habe ich stets den direkten Draht zum Regisseur des Weltbildes, das der Broadcaster aussendet. Wir sind mit unseren Abläufen voneinander abhängig.

Stadionwelt: Welche Fragen ergeben sich hier zum Beispiel?
Heiken: Zum Beispiel gibt es zu einem bestimmten Zeitpunkt, die Anforderung, eine Slomo vom Stabhochsprung einzublenden. Aber das Programm in Stadion läuft ja weiter und beispielsweise der Start eines Laufs steht an. Dann müssen wir schnell klären, wie sich das koordinieren lässt. Da sich die beteiligten Personen seit Jahren kennen, läuft das in aller Regel sehr gut.

Stadionwelt: Inwieweit haben solche Meisterschaften ein festes, übertragbares Schema?
Heiken: Im Prinzip muss der Regieplan für jede Veranstaltung von Grund auf neu erstellt werden. Es gibt zwar ein Grundgerüst, das alle Leichtathletik-Meisterschaften gemein haben, aber die individuellen Anforderungen sind doch immer so groß, dass wir keine Schablone anlegen können. Tokyo 2021 wird ganz anders als Doha 2020. Es kann zum Beispiel mal der Hochsprung auf dem letzten Abend landen, wenn der Ausrichter ein besonderes Interesse daran hat oder ein Wettkampf zu diesem Zeitpunkt für ein Sendegebiet besonders wichtig ist. Das LOC setzt immer Prioritäten. In Japan sind unter Umständen auch Disziplinen besonders interessant, die woanders nicht so einen hohen Stellenwert haben. Zudem unterscheiden sich auch die Stadien mit ihrer Bauweise und den Sport-Anlagen. Man muss also jedes Mal auch ganz genau hinsehen, was im Detail wie umgesetzt werden kann.

Stadionwelt: Nun wurde entschieden, dass die Spiele ohne Publikum stattfinden. Was bedeutet das für Sie?
Heiken: Grundsätzlich haben wir damit einen unserer „Klienten“ verloren und müssen uns auf die anderen beiden, Athleten und TV, konzentrieren. Es fehlen natürlich die Emotion und der Ansporn durch Publikum, was es sehr schwierig macht für die Athleten und auch für das TV, überhaupt irgendeine Form von Spannung und Emotionen zu transportieren. Wir müssen uns nun mehr auf das TV-Produkt konzentrieren und darauf, das im Sinne der Athleten und Zuschauer zu Hause am geschmeidigsten zu produzieren. Es ist sehr schade, Spiele ohne Publikum zu haben. Aber persönlich finde ich es so herum deutlich besser und verantwortungsvoller als das, was da gerade bei der Fußball-EM passiert ist mit vollen Stadien und mit der Gefahr, dadurch die Delta-Variante durch ganz Europa enorm verbreitet zu haben!

Stadionwelt: Seit wann machen Sie diesen Job?
Heiken: Seit der WM 2009 in Berlin, dann folgten 2011 die WM in Daegu und London 2012, dann Rio 2016. Seit über 10 Jahren habe ich fast alle Stadion-Events der IAAF gemacht.

Stadionwelt: Was sind die vertraglichen Konditionen?
Heiken: Im Prinzip bin ich Freiberufler. Es sind aber mehrere Kollegen unterwegs, mit denen ich bei vielen Events ein Team bilde. Ich bin in ständigem Kontakt mit World Athletics, seit einer ganzen Weile geht es dabei vordringlich um das schwierige Thema Tokyo. Es gibt viele Detail-Festlegungen zu treffen und Anfragen rund um das gesamte Team. Dabei gibt es keinen Festvertrag, sondern Tagessätze – und eine mögliche Absage ist nicht abgefangen. Die Organisation von Hotels und Transfers etc. wird aber komplett über World Athletics geleistet. Darüber müssen wir uns zum Glück nicht auch noch Gedanken machen.

Stadionwelt: Gehören die Paralympics zum aktuellen Paket?
Heiken: Die Paralympics sind nicht Bestandteil desselben Pakets, sind aber vertraglich mit einer anderen Firma vereinbart. Mit den Paralympics zusammen bin ich dann 46 Tage in Tokyo und kann nicht mal eben zwischendurch nach Hause fahren. Da muss ich dem Vertragspartner auch mal klar machen, dass es auch bezahlt werden muss, wenn sie alle Leute dabehalten. So etwas läuft dann wiederum über eine australische Firma, die die gesamte Personalplanung mit Verträgen abwickelt. Ich kann verraten, dass ich das Angebot bezüglich der Paralympics in Tokyo nachverhandelt habe.

Stadionwelt: Welche Besonderheiten zeigen sich in Japan hinsichtlich der Arbeitsbedingungen?
Heiken: In Japan und in Asien generell ist es schwierig, Dinge direkt anzusprechen. Man darf niemandem auf die Füße treten, man muss immer darauf achten, dass jemand, den man kritisieren muss, sein Gesicht wahrt. Man muss also stets sehr diplomatisch auftreten. Ich habe mir manches Mal gesagt: Gut, dass ich die Maske tragen muss. So sieht man nicht, dass ich nicht mehr lächele. Auch in China und Korea muss man sich immer erst mal an die Zusammenarbeit mit dem Sport Clusterer und Producer herantasten. Es gibt da tatsächlich zum Teil erhebliche Sprach- und Verständigungsprobleme. Sogar in Japan ist selbst bei den jungen Leuten Englisch nicht immer geläufig. Und es gibt eine Tradition, dass man die Schuhe auszieht, wenn man einen Raum betritt. Auch an so etwas muss man sich gewöhnen. Aber, wie gesagt, der Job läuft im Kern mit einem bekannten Team. Es ist aber wichtig, Leute als Schnittstellen zum lokalen Team zu haben, um sich zu integrieren und auch solche kulturellen und sprachlichen Unterschiede überbrücken zu können.

Stadionwelt: Und gibt es in Tokyo technische Besonderheiten, auf die Sie sich einstellen müssen?
Heiken: In jedem Stadion und Event gibt es technische Besonderheiten, so auch in Tokyo. Es wird beispielsweise 2 große Vorstellungs-Gates geben, in den Marathontoren positioniert und mit großen LED-Wänden. Hier werden die Sportler und Mannschaften präsentiert, wenn sie zum Wettkampf einlaufen. Unser Team erstellt zum Teil den Content für diese Wände, und wir müssen das exakte Timing bestimmen, mit dem er zugespielt wird. Der Floor Manager, der im Stadion-Innenraum das Sagen hat, ist mit mir jederzeit verbunden, sodass wir alles in Echtzeit abstimmen können. Riedel ist als Komplettdienstleister für die Kommunikation vor Ort und hat auch deutsche Kollegen dabei, sodass wir jederzeit auch in diesem Bereich technische Fragen klären können, falls sie sich ergeben.

Stadionwelt: Sie müssen Nerven wie Drahtseile haben. Das ist ein Stress-Job. Was reizt Sie daran?
Heiken: Es ist der Adrenalin-Kick bei jeder Show. Ich komme aus der Leichtathletik und lebe das in allen Facetten. Die Leichtathletik ist nicht eindimensional – es laufen immer mehrere Dinge nebeneinander. Der Reiz, all dies für das Publikum erlebbar zu machen und mit der ganzen Atmosphäre in ein passendes Format zu bringen, ist riesig.

Stadionwelt: Es laufen Diskussionen darüber, wie sich Sportarten für das TV interessanter machen können. Was ist Ihre Sicht auf die Dinge?
Heiken: Man muss sicher unterscheiden. Es gibt solche Events und solche. Olympia hat noch einen anderen Reiz als viele Veranstaltungen, die zusehen müssen, medial attraktiver zu werden. Bei Olympia geht es manchmal gerade darum, dass man in einem Wettkampf den Weltstar neben einem Amateur aus der Provinz sieht. In der Diamond League sind die Zeitfenster generell schon viel knapper. Da ist überhaupt kein Platz für Nebensächlichkeiten. Wir sind mit allen Kollegen immer darüber im Austausch, wie man das, was am Tag auf dem Plan steht, am besten rüberbringt. Es gibt nicht immer nur die eine Lösung zur Präsentation. Wir können einiges aktiv gestalten. Show-Events, wie sie etwa inszeniert werden, um Springer und Werfer gezielt ins Rampenlicht zu rücken, haben da natürlich einen viel größeren Gestaltungsspielraum. (Stadionwelt, 09.07.2021)

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