„Sponsorings müssen einen verantwortungsvollen Ansatz beinhalten“

Unter anderem als Namensgeber ist die Matmut-Gruppe im französischen Sportsponsoring aktiv. Stadionwelt spricht mit Stéphanie Boutin, stellv. Generaldirektorin, über das Unternehmen, die Sponsoring-Strategie sowie zukünftige Planungen.

Stéphanie Boutin Bild: Vanida Hoang
Stadionwelt: Sie sind stellvertretende Generaldirektorin der Matmut-Gruppe. Können Sie uns das Unternehmen kurz vorstellen?
Stephanie Boutin: Vor 60 Jahren gründeten Aktivisten in Rouen einen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit mit dem Ziel, den Zugang zu einer Kfz-Versicherung mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis zu erleichtern. Heute vertrauen überall in Frankreich vier Millionen Menschen der Matmut-Gruppe. Matmut ist eine umfassende Versicherungsgruppe, deren Kerngeschäft jedoch nach wie vor die Schadenversicherung ist, hauptsächlich die Kfz-Versicherung (2,8 Mio. versicherte Fahrzeuge in Frankreich) und die Hausratversicherung (2,2 Mio. verwaltete Verträge). Das Unternehmen beschäftigt 6.400 Menschen nur in Frankreich und hatte einen Umsatz von 2,29 Mrd. Euro im Jahr 2020. Ihr Hauptsitz liegt in Rouen (Normandie), im Rest von Frankreich sind weitere 480 Filialen verteilt. Aufgrund ihrer genossenschaftlichen Form hat sie keine Aktionäre, die sie bezahlen muss und somit nur ein Publikum, das sie bedienen muss: ihre vier Millionen Kunden. Die Gruppe hat sich für das Jahr 2021 eine „Raison d'être“ gegeben: „Wir versichern, wir begleiten, wir schützen, wir engagieren uns. Das ist unser Grund, täglich zu handeln, um allen zu helfen, morgen zu bauen und zu träumen“.

Stadionwelt: Die Matmut-Gruppe war das erste Unternehmen, das ein Namensrecht an einem Rugbystadion erworben hat (Matmut Stadium Gerland). Was bedeutet das für Sie?
Boutin: Matmut war ein Pionier auf dem Gebiet der Namensgebung im Rugby. Bereits 2011 unterzeichnete die Gruppe einen Fünfjahresvertrag, als das „Matmut Stadium“, die damalige Heimstätte der Rugbyspiele von LOU Rugby, eröffnet wurde. Bei LOU Rugby war Matmut bereits Partner. Im November 2016 wurde dann eine neuer zehnjähriger Naming-Right-Vertrag mit dem Stade de Gerland abgeschlossen, der früheren Heimat des Fußballclubs Olympique Lyon. Seitdem heißt das Stadion „Matmut Stadium de Gerland“. Die Tatsache, dass wir uns auf diese Weise an der Entwicklung des LOU Rugby beteiligen, bedeutet für die Matmut-Gruppe sehr viel. Es zeugt von unserer Treue als Partner und unserem langfristigen Ansatz. Außerdem ist es interessant zu sehen, wie eine „historische“ Sporteinrichtung durch die Präsenz eines ambitionierten Vereins, der in der höchsten französischen Liga TOP 14 auf den oberen Plätzen der Tabelle rangiert, ein zweites Leben erhält.

Stadionwelt: Die Matmut-Gruppe ist auch Namensgeber des Stadions von Girondins de Bordeaux, dem Stade Matmut-Atlantique. Was bedeutet es, seinen Namen auf einem Stadion der Ligue 1 stehen zu haben?
Boutin: Das ist eine echte Besonderheit, dass wir in Frankreich mit gleich zwei Naming-Rights an Stadien vertreten sind. 2015 haben wir einen zehnjährigeren Vertrag mit dem „Matmut Atlantique“ in Bordeaux abgeschlossen. Das Stadion befindet sich in einem Gebiet, das der Matmut-Gruppe besonders am Herzen liegt, weil Bordeaux die Stadt der Mutuelle Ociane Matmut ist, einer der Gruppe angeschlossenen Krankenversicherung auf Gegenseitigkeit.

Stadien sind außergewöhnliche Orte geteilter Emotionen. Das Naming-Right ist somit eine relevante und effektive Kommunikationstechnik ist, um den Bekanntheitsgrad und die Sichtbarkeit unseres Unternehmens zu erhöhen. Die Matmut-Gruppe ist ein Versicherer, der historisch gesehen in den wichtigsten städtischen Zentren stark verankert ist, egal ob in Lyon oder Bordeaux. Wir stehen also über unsere Naming-Rights in direktem Kontakt mit unseren Kunden. Schließlich ist natürlich auch der Fußball aufgrund seiner Popularität ein wichtiger Hebel.

Stadionwelt: In der Normandie, der Region, wo die Matmut-Gruppe gegründet wurde, und wo sich auch heute noch ihr Hauptsitz befindet, unterstützen Sie die Drachen von Rouen Hockey Elite 76 und den Fußballverein Quevilly Rouen Métropole. War es Ihnen wichtig, Vereine aus der Normandie zu unterstützen?
Boutin: Die Verbundenheit der Gruppe zur Normandie ist sehr besonders. Sie ist die Wiege unseres Unternehmens und unser Engagement ist vielfältig. Sei es für die Arbeit, die Kultur, die Teilnahme zur ökonomischen Attraktivität oder natürlich für den Sport. Die Partnerschaften mit Rouen Hockey Elite 76 und Quevilly Rouen Métropole (französischer Fußball-Zweitligist) ergänzen unsere nationalen Sponsoringmaßnahmen, die hauptsächlich in den Bereichen Rugby und Motorsport angesiedelt sind, sehr gut. Natürlich zusätzlich zu unseren bereits erwähnten Naming-Right-Vereinbarungen.

Das Matmut Atlantique Stadion in Bordeaux in Frankreich Bild: Vigouroux Perspectives

Mit dem Sponsoring dieser beiden Vereine bewegen wir uns mehr in einer Logik der Regionalität. Vor allem Rouen Hockey Elite 76 ist ein echtes Aushängeschild der Region und ein wichtiger Akteur innerhalb des Lebens in Rouen. Die Regionalität schließt Sponsoring-Leistung nicht aus, da der Verein auf höchstem französischem und europäischem Niveau spielt. Auch hier ist Treue kein leeres Wort, da wir uns im 21. Jahr dieser Partnerschaft befinden. Vor einigen Jahren widmete Les Echos, die größte Wirtschaftszeitung Frankreichs, in einer Reihe von Artikeln über Marken, die in einem bestimmten Sportuniversum stark engagiert sind, einen der Artikel dieser Saga der Partnerschaft zwischen Matmut und RHE 76. Ein Beweis für die Wirksamkeit dieser Partnerschaft.

Stadionwelt: Die Matmut-Gruppe organisiert im Rahmen ihrer Partnerschaften mit dem LOU Rugby und dem Castres Olympique die „Matmut-Herzversuche“. Worin besteht diese Aktion?
Boutin: Die Matmut-Gruppe setzt sich für die Idee eines sinnstiftenden Engagements im Sport ein. Eine Personengesellschaft zu sein, bedeutet auch, eine verschärfte Wachsamkeit gegenüber der menschlichen Dimension unseres Handelns zu haben. Wir interessieren uns nicht nur für die Kriterien der Sichtbarkeit. In diesem Sinne sind die Programme „Les essais du coeur Matmut“ mit den Vereinen LOU und Castres Olympique, aber auch „Les buts du coeur Matmut“ und „Les dragons du coeur Matmut“, jeweils mit Quevilly Rouen Métropole  und Rouen Hockey Elite 76, beispielhaft.         
Das Prinzip ist einfach: Je mehr Tore oder Versuche die von uns unterstützten Sportler auf dem Spielfeld erzielen, desto mehr Geld fließt in den Spendentopf der Matmut-Gruppe, der am Ende der Saison an soziale oder medizinische Einrichtungen gespendet wird   
Diese Solidaritätsmaßnahmen für gute Zwecke werden von unseren Partnern und Spielern sehr geschätzt; wir wagen zu sagen, dass sie ihnen ein kleines „Extra an Seele“ verleihen, mitten im Geschehen. Darüber hinaus beziehen wir auch die Gemeinschaften der Vereine mit ein, angefangen bei den Fans. Wenn sie sich in den sozialen Netzwerken engagieren, können sie die Matmut-Spenden bei bestimmten Spielen verdoppeln.

Stadionwelt: Sie haben vorhin bereits Sponsoring-Aktivitäten im Motorsport angedeutet. Können Sie diese näher erläutern?
Boutin: Die Kfz-Versicherung von Privatpersonen ist das Kerngeschäft der Matmut-Gruppe. Der Aufstieg des Unternehmens ist untrennbar mit dem Aufschwung des Automobils verbunden, insbesondere in den 60er-Jahren mit der Demokratisierung des Privatautos. Die Matmut-Gruppe bewegte sich immer in der Nähe der Welt der Autos. Die Prävention von Risiken im Straßenverkehr ist ein wichtiger Bestandteil der Wertschöpfungskette des Versicherungsgeschäfts. Es ist bekannt, dass der Motorsport seit jeher eine wichtige Rolle bei der Verbesserung der Sicherheit von Jedermanns Auto spielt. Wir führen während der Schulferien, in denen auf den Straßen besonders viel los ist, mit unserem Botschafter Fabien Barthez, dem ehemaligen französischen Nationaltorwart, Aktionen zur Sensibilisierung für die Risiken des Straßenverkehrs durch. Er ist unser Sprecher für Verkehrsprävention, um immer mehr Sicherheit zu schaffen und die Gefahren des Straßenverkehrs zu bekämpfen.

Die Verbindung zu dieser Persönlichkeit kam über das Automobilteam AKKA ASP zustande, das Matmut bei der französischen Rundstreckenmeisterschaft in der Klasse GT4, wo Fabien Barthez einer der Fahrer ist, unterstützt. Wir möchten, dass die Elektrotechnologie im Motorsport immer mehr an Bedeutung gewinnt, damit dieser Sport, der bereits von den Werten Teamgeist, Geduld und Solidarität geprägt ist, in eine noch umweltbewusstere Dimension übergeht.

Das Matmut Stadium de Gerland in Lyon in Frankreich Bild: Lubo Domo

Stadionwelt: Wieviel Geld investiert die Matmut ungefähr pro Jahr in das Sportsponsoring insgesamt?
Boutin: Die beiden Stadion-Naming-Right-Verträge belaufen sich auf jeweils rund 20 Mio. Euro für die gesamte Laufzeit der Verträge (zehn Jahre). Ansonsten kommunizieren wir nicht global über unsere Budgets, da dies immer interpretierbar sein kann oder nicht die Realität jeder einzelnen Partnerschaft widerspiegelt. Es ist auch wichtig zu erinnern, dass die Matmut-Gruppe ein Unternehmen auf Gegenseitigkeit ist. In dieser Funktion werden alle Leitlinien der Gruppe von unseren Generalversammlungen bestätigt. Die Ausgaben für Sponsoring sollen das Image unseres Unternehmens positiv beeinflussen und tragen somit unter anderem zu seiner Entwicklung und seiner wirtschaftlichen Leistung bei, was es uns letztendlich ermöglicht, die Menschen, die uns vertrauen, bestmöglich zu unterstützen.

Stadionwelt: Was planen Sie mittel- und langfristig in Bezug auf das Sponsoring? Sind neue Partnerschaften in Planung?
Boutin: Wie eingangs angesprochen, hat die Matmut-Gruppe ganz aktuell ihre „Raison d'être“ formalisiert. Auch wenn die Gruppe natürlich nicht 60 Jahre gewartet hat, um eine Daseinsberechtigung zu haben, wirkt diese Formalisierung nun wie ein Kompass bei den Entscheidungen des Unternehmens, sei es bei der Ausübung des Berufs als Versicherer oder bei verschiedenen Engagements. Wir werden die soziale Dimension in unseren Sponsoringverträgen weiterführen und sogar noch verstärken. Unser Ziel ist es, in den kommenden Monaten und Jahren an der Seite der Sportler und Sportbegeisterten zu agieren. Dieser Wille wird sich bei unseren derzeitigen Partnern entwickeln und kann zu neuen Partnerschaften führen, immer auf der Suche nach gemeinsamen Werten und Ausdrucksformen. Sponsoringverträge müssen in jedem Fall einen verantwortungsvolleren Ansatz beinhalten, sei es im Hinblick auf die Integration oder die positiven Auswirkungen auf die Umwelt. (Stadionwelt, 10.03.2022)

 

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