Kolumne: Elektrifizierung kommt vor Digitalisierung
Wie steht es um die Digitalisierung in deutschen Stadien und Arenen? Und was hat ein Döner damit zu tun? Das erklärt Thomas Albinger, Geschäftsführer der Münchner Companeer GmbH, in seiner Kolumne.
Ich verrate Ihnen jetzt was: Wenn ich zum Spiel gehe, esse ich keine Stadionwurst, sondern Döner – und zwar noch vor dem Eingang. Nicht, weil ich Bratwurst nicht mag, sondern weil ich den Budenbesitzer kenne und dort mein Handy aufladen darf. Besonders an Spieltagen unter der Woche bin ich über diese Möglichkeit froh, weil nach einem langen Arbeitstag mein Handy langsam schlapp macht. Den Rest Akku brauche ich, um mit der Familie in Kontakt zu bleiben oder Freunde zu finden, mit denen ich mich verabredet habe.
Auch bei Auswärtsbesuchen komme ich nach langer Anreise – und ein paar unfreiwilligen Umwegen – regelmäßig mit unter 30% Akkufüllung an, selbst wenn ich mein schickes Lade-Case dabei habe, das an der Vorkontrolle noch nie als Powerpack erkannt und eingezogen wurde. Jetzt habe ich noch etwas verraten, aber das ist derzeit ja egal. Wie sieht es also aus mit der Digitalisierung im Stadion? Momentan besteht das virtuelle Stadion erst einmal aus ganz analogen Pappkameraden auf den Rängen. Wer hätte das gedacht?
Meine Prognose: Erfolgreiche Ansätze der Digitalisierung werden eher zuhause oder im Umfeld ums Stadion stattfinden als im Stadion selbst. Die persönliche Registrierung beim Besuch von Großveranstaltungen wird uns als Corona-Erbe erhalten bleiben. Und das kann man von zuhause aus bequem erledigen. Auch für die Clubs dürfte es aus monetärer Sicht interessanter sein, ihre gesamte Fanbase zu aktivieren – nicht nur die Zuschauer im Stadion. Dazu gibt es interessante Ansätze, zum Beispiel eine App, in der man unter Nutzung von Augmented-Realityund Blockchain-Technologie auf spielerische Weise Fan Tokens sammeln und dann in Belohnungen umwandeln kann – und das nicht nur am Spieltag.
Im Stadion selbst habe ich keine Zeit für Spielereien auf dem Smartphone. Marketingexperten würden vor der Kannibalisierung des Events durch digitale Medien warnen. Ich sag‘ einfach mal: Da bin ich voll gefordert, meinen Club zu unterstützen. Wahrscheinlich spreche ich für viele, wenn ich mir eher Angebote wünsche, die den besten Weg oder den besten Zeitpunkt für die Anreise mit den Öffentlichen anzeigen. Oder mich nicht einfach zum Stadion, sondern zum nächstgelegenen freien Parkplatz navigieren und nach dem Spiel grünes Licht für den besten Moment der Abreise geben. Wie gerne würde ich so eine Stadion-App laden. Aber solange es die nicht gibt, und ich weder am Sitz noch in der Halbzeit mein Handy aufladen kann, bin ich vorsichtig und bleibe beim Döner. (Stadionwelt, 19.02.2021)