Die ökonomische Theorie hinter Ticket-Zweitmärkten
Stellen Sie sich vor, Sie möchten einen neuen Fernseher kaufen. Da beim Elektronikhändler leider alle Fernseher ausverkauft sind, schauen Sie sich stattdessen auf einem TV-Geräte-Zweitmarkt im Internet um. Sie kaufen dort von einem anonymen Anbieter einen Fernseher für viel mehr Geld als er im Laden gekostet hat. Zu Hause angekommen erhalten Sie statt eines Bildes dann jedoch eine Fehlermeldung: „Da alle unsere Fernseher personalisiert sind und Sie dieses Modell entgegen unserer AGB auf einem TV-Geräte-Zweitmarkt von einem Dritten erworben haben, können wir Ihnen leider kein Bild anzeigen.“
Sie finden das alles ziemlich absurd? Zu Recht. Es gibt nämlich gar keine TV-Geräte-Zweitmärkte im Internet und keine personalisierten Fernseher. Allerdings gibt es sehr wohl Ticket-Zweitmärkte im Internet und enttäuschte Fans, die mit dort erworbenen Tickets keinen Einlass ins Stadion erhalten. Was unterscheidet den Markt für Fernseher vom Markt für Eintrittskarten? Warum entsteht im einen Fall ein Zweitmarkt und im anderen nicht? Der Grund liegt in der Preisgestaltung der Anbieter.
Während Elektronikhändler markträumende Preise verlangen, bei denen Angebot und Nachfrage in Einklang stehen, verkaufen Fußballclubs bestimmte Kontingente an Eintrittskarten zu Preisen, die eine Überschussnachfrage generieren. Dies bedeutet, dass zum aufgerufenen Preis mehr Zuschauer eine Karte erwerben möchten als es verfügbare Tickets gibt. Markträumende Preise bilden sich dann erst auf dem Zweitmarkt. Warum aber verkaufen Vereine ihre Tickets unter Wert und verzichten somit scheinbar auf Einnahmen? Weil sie nicht nur die Nachfrage nach günstigen Tickets bedienen wollen, sondern auch ihre teureren VIP-Angebote verkaufen möchten. Und zwischen diesen beiden Ticket-Kategorien besteht ein so genannter „twosided market“, ein verbundener Markt mit Netzwerkeffekten.
Um genügend Nachfrage nach hochpreisigen VIPTickets zu generieren, ist der Verein auf eine elektrisierende Atmosphäre im Stadion angewiesen. Diese entsteht aber vor allem auf den „billigen Plätzen“, salopp gesagt. Die Vereine haben also ein starkes Interesse daran, dass genügend günstige Tickets verfügbar sind, damit lautstarke Fans für genau die Atmosphäre sorgen, die man dann im VIP-Bereich gewinnbringend vermarkten kann. Uli Hoeneß raunte einst den Fans entgegen: „Wisst Ihr eigentlich, wie viel Geld wir den VIPs aus der Tasche ziehen, damit ihr für 7 Euro in die Südkurve gehen könnt?“ Umgekehrt wird ein Schuh daraus. (Stadionwelt, 11.07.2019)